Django Mobil: Unplugged, mobil & charmant

Im Gespräch mit Florian Scharnofske

20. September 2021

Lesezeit: 9 Minute(n)

Im Gespräch mit Florian Scharnofske

Django Mobil: Unplugged, mobil & charmant

Interview: Markus Thiel Fotos: Daniel Berger, Nick Putzmann, Dimitri Eisenmeier,  Miklos Szorenyi

Zur Vorbereitung auf dieses Interview haben wir uns auf der Homepage von Django Mobil umgesehen. Hafenkneipen von Odessa, Berliner Salon der 20er-Jahre, französische Straßencafés und die Musik des Mittelmeers … Wir kommen gleich ins Schwärmen und sehen uns schon Croissant essend und Wein trinkend den Sonnenuntergang genießend. Bei einem digitalen Treffen mit Florian Scharnofske treffen sprechen wir mit ihm über seinen musikalischen Werdegang, die Geschichte von Django Mobil und die ganz besonderen Herausforderungen, vor die uns die Covid-​Pandemie stellt.

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(Foto: Daniel Berger)

  • Was hat dich zur oder die Musik zu dir gebracht?

Da kam viel von meinen Eltern oder der ganzen Familie. Mein Vater ist Trompeter – auch Berufsmusiker. Durch ihn war Musik zu Hause immer dabei. Von meiner Geburt an hat er im Nebenzimmer geübt, also auch, wenn ich als Kleinkind geschlafen habe. Ich habe noch zwei jüngere Geschwister, die auch Berufsmusiker geworden sind. Wir haben zu Hause mit Papa zusammen Kinderlieder am Klavier gesungen. Er hat uns zu Konzerten und ins Theater mitgenommen und es waren immer wieder auch tolle Musiker bei uns zu Hause. Meine Eltern haben auch dafür gesorgt, dass viele Musikinstrumente bei uns zu Hause rumlagen, die wir ausprobieren konnten. Bei meiner Mutter erinnere ich mich an die Schlaflieder, die sie uns gesungen hat. Mein Opa, der auch im Haus lebte, hatte immer lustige Quatsch-​Lieder auf den Lippen und meine Oma holte ab und zu ihr kleines diatonisches Akkordeon. Das war immer was Besonderes. Mein anderer Opa – zwei Straßen weiter – war im Gesangsverein. Er konnte zwar nicht besonders gut singen, aber er hatte immer große Freude daran.

Als Grundschulkind sang ich immer selbst ausgedachte Melodien auf dem Heimweg. Viel später habe ich gelernt, dass man das Improvisation nennt. Als Teenager erlebte ich bei einem Dorffest eine Band von Jugendlichen, die ein paar Jahre älter waren als ich. Da spürte ich den ganz starken Wunsch in mir, dass ich auch da – so cool – auf der Bühne stehen wollte.

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  • Wer oder was hat dich als Musiker am nachhaltigsten bzw. deinen individuellen Stil geprägt?

Als Musiker – jetzt nicht musikalisch, sondern von der Einstellung zur Musik oder der Rolle und dem Stellenwert der Musik in meinem Leben – hat mich sicher mein Vater am meisten geprägt.

Er hat zwar auch zeitweise klassische Konzerte gespielt, aber er war kein Akademiker. Er war in erster Linie ein Trompeter „zum Anfassen“. Man könnte sagen, er wurde auf einem Schützenfesttisch mit der Trompete in der Hand geboren. Ob beim Einkaufen auf dem Marktplatz, am Telefon, im feinen Restaurant, in der Bibliothek oder auf dem Amt – er hat zu jeder passenden – und für mich später als pubertierender Teenager unpassenden – Gelegenheit die Trompete rausgeholt und gespielt. Damit hat er bei Groß und Klein meistens für Begeisterung und leuchtende Augen gesorgt. Als ein Grenzbeamter in Südamerika Probleme machen wollte und wahrscheinlich auf sein Bestechungsgeld wartete, ist Papa ausgestiegen und hat so lange die Nationalhymne und Guantanamera gespielt, bis wir weiterdurften. Als im Urlaub die Reisechecks gestohlen worden waren, sind wir ohne Geld essen gegangen. Er hat dann Trompete gespielt und Geld für das Essen und für die Rückreise eingesammelt.
Ich bin nicht ganz so draufgängerisch, aber mein erstes Instrument – Klavier – ist dafür auch nicht so geeignet. Das Akkordeon, das ich seit 2007 spiele, kann ich zwar mitnehmen, aber um es ständig dabei zu haben ist es doch etwas zu unhandlich und schwer, und dann ist es auch nicht so laut (lacht).
Ich spiele grundsätzlich auch gerne Konzerte in klassischen Konzertsälen mit toller Akustik oder auf Open-​Air-​Bühnen, für ein großes Publikum, das gekommen ist, um mich oder uns zu hören. Aber genauso gerne spiele ich unverstärkt im Café, auf der Wiese oder am Lagerfeuer mitten unter und im Gespräch mit den Menschen, so wie wir auch vor Corona die meisten Auftritte mit Django Mobil gemacht haben.

Mein individueller Stil wurde von ganz vielen Musikern und Musikrichtungen geprägt. Das fängt bei der Big Band, Klassik und Volksmusik meines Vaters an und geht über die Standard-​Jazzschulung meines Jazz-​Klavierlehrers Achim Kück im Alter von 16 bis 19 Jahren. Mit 19 war ich mit dem Blasorchester meines Vaters in Südamerika und habe eine Tango-Show in Buenos Aires erlebt. Seitdem hat mich der Tango nicht mehr losgelassen. Parallel gab es mein Interesse für Musical und Frank Sinatra – ich habe als 19-​Jähriger als Musicaldarsteller gearbeitet, für zwei Jahre. Dann kam im Klavierstudium die starke künstlerische Inspiration durch meinen Jazzklavier-​Professor Richie Beirach, meine Funk-, Latin- und Hip-​Hop-​Bands und seit 2007 verstärkt durch Klezmer und osteuropäische Musik über meine Kollegen im Klezmer Quartett Heidelberg, allen voran Jörg Teichert und Roland Döringer. Mit Neckarstadt-​Geschichten habe ich für mein Diplomkonzert in Mannheim Stücke komponiert, die meine Wahrnehmung der Stadt musikalisch widerspiegeln. Da spielte ich mit verschiedenen Klangwelten der verschiedenen Kulturen und Subkulturen und verband Jazz, Electro, osteuropäische und orientalische Musik.

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Traumpaar: Jazz-Trompeter Johannes Stange und Klezmerklarinettist Holger Teichert geben alles und begeistern Publikum und Bandleader (Foto: Foto: Dimitri Eisenmeier)

  • Wie kam es zu Django Mobil, und wenn „mobil“ Programm ist, wer ist Django und was macht ihn (und die musikalische Mischung) aus?

Bei Konzerten des Klezmer Quartett Heidelberg, bei dem ich mit Akkordeonspiel angefangen habe, wurden wir häufig gefragt, ob man uns auch privat buchen könne. Oft kam dann als Nächstes die Frage, ob wir statt mit fünf Musikern – das Klezmer Quartett Heidelberg war mit mir zum fünf​köpfigen Quartett geworden – auch nur im Trio und neben Klezmer auch noch was anderes – z. B. Gypsy Swing – spielen könnten. So haben wir nach und nach unser Repertoire in dieser Richtung aufgebaut.

Als 2013 meine Frau schwanger war und ich mir dachte, dass ich nun vielleicht etwas mehr Geld verdienen sollte, nahm ich ein kleines Demovideo vom Trio auf. Als Nächstes brauchte ich einen Namen. Django Reinhardt hat den Gipsy Swing geprägt wie kein anderer. Was wäre ein weiteres Aushängeschild unserer Besetzung? Weil wir unverstärkt spielen können und es gerne tun, sind wir sehr mobil. Django Mobil war geboren. Das Video kam zum Glück gut an, und es gab plötzlich mehr Anfragen, als meine Mitspieler Zeit hatten. Und es gab auch wieder Anfragen nach größeren Besetzungen. Ich suchte deshalb für Bass, Gipsy-​Gitarre, Melodie-Trompete und Klarinette weitere Musiker, die menschlich zu uns und zusammenpassten und Lust auf diese Mischung aus Klezmer, Gipsy Swing und mehr hatten.
Ich stellte ein Stammrepertoire zusammen, und so wie ich es früher bei meinem Vater erlebt hatte, veranstaltete ich einen schönen Sommer lang gemeinsame Proben auf der Terrasse. Die waren nicht in erster Linie effizient und akademisch, sondern eher kulinarisch – je nach musikalischem Schwerpunkt der Probe und Tageszeit mit Käse und Wein, Brot und Bier oder Café und Croissants.
Auch wenn wir – man könnte sagen mit Zweitbesetzungen – Muggen spielten, sollte das auf keinen Fall eine Telefonband mit beliebig austauschbaren Profi-​Blattspielern sein.
Ich hatte meine Vorstellungen, wie die Musik klingen und wie das Zusammenspiel sein sollte. Von Jazz- und Gipsy-​Bands kennt man, dass einer am Anfang und Ende das Thema spielt und dazwischen Solos improvisiert werden. In Klassik und Unterhaltungsmusik wird im Gegensatz dazu meist ein festes Arrangement nach Noten oder auswendig gespielt, mit manchmal wechselnden Solisten.
Django Mobil verbindet beides: viel Melodie und Improvisation. Wir haben Basis-​Arrangements von den meisten Stücken gemacht, aber z. B. wer wann und wie begleitet und wer wo die Melodie spielt, ist nicht festgelegt. Jeder beherrscht jede Rolle (Melodie und Begleitung) bei den Stücken, und so kann ich beim Spielen mit Blicken oder durch kurze Rufe dirigieren. Zum Beispiel kann ich spontan anzeigen, dass ich die Frage einer Phrase mit dem Akkordeon spiele und die Antwort von Bass und Gitarre kommen soll, in der Wiederholung spielen dann vielleicht Klarinette und Trompete die Frage und ich mit dem Akkordeon die Antwort. Dann kommt vielleicht ein improvisiertes Solo und dann wieder die Melodie. Die Stimmung des Stücks entsteht in dem Augenblick passend zur Situation, in der wir uns gerade befinden. So entstehen Arrangements, während wir spielen – on the fly.
Das freut dann sowohl den Jazz-​Fan als auch die ältere Dame, die mit Jazz sonst so gar nichts anfangen kann. Es war mir wichtig, dass da eine Gruppe zusammenwächst, mit der sowas geht, und dass die Musik lebt.
Die Art, wie ich das Akkordeon bei Django Mobil spiele, ist wahrscheinlich auch etwas Besonderes. Ich habe nie Akkordeonunterricht gehabt und hatte vor Django Mobil auch wenig Referenzen, was das Akkordeon als Begleitinstrument in der Besetzung mit Kontrabass und Gitarre macht, wenn die Gitarre Melodie spielt. Wenn die Gitarre beim Gipsy Swing begleitet, gibt es diesen herrlichen Rhythmus „La Pompe“, und wenn dann der Gitarrist solieren möchte, bricht bei nur einer Gitarre der Rhythmus ein, weil keine Gitarre mehr zum Begleiten da ist. Da habe ich lange rumprobiert und meine Art gefunden, wie ich mit dem Kontrabass zusammen die tragfähige Begleitung spielen kann.
Mittlerweile hat sich gezeigt, dass es dadurch, dass sich an den verschiedenen Instrumenten abgewechselt wird, immer spannend und frisch bleibt. Es stellt sich nie eine Routine ein, alle sind immer mit voller Aufmerksamkeit und Spielspaß dabei.
Bei Auftrittsanfragen wird gelegentlich nach Liedern oder Stilistiken gefragt. Ich höre mir dann neue Stücke an und entscheide, ob das zu uns passt, ob ich mir das in unserem Stil gut vorstellen kann. Wenn das so ist, gehe ich gerne auf diese Wünsche ein. So kamen dann einige französische, italienische, griechische und russische Lieder, Lieder vom Balkan und Filmmusik dazu. Das erweiterte Repertoire führte wiederum zu mehr Anfragen mit internationalem Repertoire. Wir werden z. B. oft für multinationale Hochzeiten angefragt (z. B. Brautmutter aus USA, Brautvater aus Frankreich, Bräutigammutter aus Serbien, Bräutigamvater aus Deutschland und Hochzeitspaar hat sich in Australien kennengelernt). Dadurch wird unser Repertoire immer größer und internationaler.

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Hochzeitsmarsch – Begleitung vom Standsamt ins Bistro (Foto: Daniel Berger)

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Passion – eine Komposition von Django ­Reinhardt mit Marcus Armani an der Gitarre

  • Als Combo präsentiert ihr euch über das Kern-​Trio hinaus sehr flexibel. Hast du eine persönliche Lieblingsbesetzung?

Einige. Wobei das vom jeweiligen Repertoire abhängt und sich auch immer wieder ändert, weil ich Abwechslung mag. Am liebsten hätte ich immer alle Instrumente dabei, am besten doppelt, und die würden sich beim Auftritt abwechseln.

  • Wie wichtig sind die Blasinstrumente? Welche Rolle spielen sie?

Als Trompeter-​Kind liebe ich Blasinstrumente. Auf meiner Hochzeit habe ich meinen Vater gebeten, am Nachmittag mit seinem Blasorchester zu spielen. Da haben wir dann auch den Hochzeitswalzer zum Blasorchester getanzt.

Rein praktisch nehme ich nach Möglichkeit immer Blasinstrumentalisten mit, wenn es irgendwo lauter sein könnte und wir unverstärkt spielen wollen oder müssen.
Mit Blasinstrumenten wird die Melodie ausdrucksstärker, mitreißender und abwechslungsreicher. Das ist einfach deren Domäne.

  • Gibt es was die Location oder eine Veranstaltung betrifft, für euch „No-​Gos“?

Vielleicht nicht pauschal. Wichtig ist, dass der nötige Respekt für die Musik und die Musiker da ist. Für klassische No-​go-​Veranstaltungen werden wir gar nicht gefragt, weil unsere Musik zu weltoffen ist.

  • Wie seid ihr bzw. bist du über die letzten pandemie​bedingt schwierigen eineinhalb Jahre gekommen? Gibt es für Django einen Notfallplan B bis C?

Viele Musiker haben sich mehr oder weniger erfolgreich an digitalen Formaten versucht. Für manche ist das sicher eine Option. Ich habe auch nichts dagegen, gelegentlich ein Online-​Konzert zu spielen. Das ist ja auch nicht groß anders als eine Fernsehaufzeichnung eines Studioauftritts.

Aber – und ich glaube, das kann man schon aus meiner ersten Antwort heraushören – meine Musik braucht den direkten Kontakt zum Publikum, das Miteinander.
Die besondere Stärke von Django Mobil liegt in der Verbindung von Musikern und Publikum. Die Spielfreude verzaubert das Publikum und die Verzauberung beflügelt wiederum die Musiker – dazu gemeinsam essen und trinken, das Leben leben.

  • Das alles passt mit Social Distancing nicht zusammen.

Der bisherige Umgang mit der Pandemie und die Digitalisierung von Auftritten sind der Tod für diese Art von Auftritten und Musik.

Viele Musiker unterrichten nebenbei, die konnten das dann auch online weitermachen. Unser Trompeter ist jetzt Biogemüsegärtner. Ich selbst hatte sechs Jahre lang die Familie allein mit den Auftritten ernährt, ab März 2020 gab es keine Einnahmen mehr. Da haben die staatlichen Hilfen nicht gereicht oder nicht gegriffen und ich war ein paar Monate auf Hartz 4 angewiesen. Dabei habe ich so viele unschöne Erfahrungen mit dem Jobcenter gemacht, dass ich dann, um Kosten zu senken, unsere schöne Mietwohnung in Schwetzingen gekündigt habe und wir als Familie bei meinem Vater eingezogen sind. Ich habe ein paar Monate Programmieren gelernt. Das ist mein persönlicher Notfallplan. Für Django Mobil gibt es keinen.

Die Menschen haben keine Planungssicherheit für Veranstaltungen oder haben Angst um ihre Großeltern, wenn sie eine schöne Hochzeit feiern. Wir haben jetzt nicht mal fünf Prozent der Anfragen der Vorjahre. Weiterhin bleiben wir als Musiker auf dem Risiko sitzen, wenn wir eine Veranstaltung zusagen und uns den Termin freihalten, uns vorbereiten und es dann wieder einen Lockdown oder ein anderes Verbot gibt.

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Rahmen um Rahmen um Rahmen und in der Mitte Django Mobils Gründungs- und ­Stammbassist Roland Döringer (Foto: Daniel Berger)

  • Was plant Django Mobil für die Zukunft?

Django Mobil plant in seinen Laboren die Entwicklung eines Covid-19-​Medikamentes, mit dem sich zuverlässig die Erkrankung behandeln lässt, welches Covid 19 den Schrecken nimmt und jegliche Impfung und Nachweise überflüssig macht. Das wirkt der Spaltung der Gesellschaft entgegen. Die Menschen können sich wieder frei fühlen, mit Alt und Jung zusammen feiern und fröhlich sein.

Spaß beiseite. Vielleicht schaffen wir es, unsere CD zu veröffentlichen, die wir 2019 aufgenommen haben. Ansonsten heißt es abwarten, wie sich das Leben in Deutschland entwickelt und wann wieder bessere Zeiten kommen, für freies Feiern und Gipsymusik mittendrin am Lagerfeuer.

  • Vielen Dank für das Gespräch und alles Gute für eure Zukunft.

https://www.django-​mobil.de

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