Stefan Hussong: Antonio Soler

Auf seiner neuen CD stellt Stefan Hussong, Professor fĆ¼r Akkordeon an der Hochschule fĆ¼r Musik WĆ¼rzburg, Cembalosonaten des spanischen Komponisten Antonio Soler vor.

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14. Juni 2021

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Lesezeit: 4 Minute(n)

paladino, 2021

Stefan Hussong: Antonio Soler: keyboard sonatas

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Leidenschaftliche Lebensfreude aus der Klosterzelle

Auf seiner neuen CD stellt Stefan Hussong, Professor fĆ¼r Akkordeon an der Hochschule fĆ¼r Musik WĆ¼rzburg, Cembalosonaten des spanischen Komponisten Antonio Soler vor.

Antonio Who?
TatsƤchlichĀ  dĆ¼rfte der spanische Mƶnch und Komponist Antonio Soler nicht allzu vielen Musikfreunden des klassiĀ­schen Genres bekannt sein, in der Spotify-Liste der meistgestreamten klassischen Komponisten taucht der Name gar nicht auf. Bach allerdings ist fĆ¼hrend in der Klassik-Liste, was beĀ­weist, dass sich die Spotify-Gemeinde durchaus auch fĆ¼r das klassische Genre interessiert, auch wenn die Streaming-Zahlen fĆ¼r Rock- und Popmusik erdrĆ¼ckend sind.

Antonio SolerĀ  (1729-1783), erzogen als Chorknabe und ausgebildet als Organist und Komponist im Kloster Montserrat bei Barcelona, stand allerdings auch lange im Schatten der Barock-Giganten Bach, Scarlatti, Vivaldi usw. Das ist Grund genug und nachgerade spannend, sich dieser ā€žNeuentdeckungā€œ mit Hussongs CD anzunƤhern.

Die Frage, ob Kompositionen aus frĆ¼heren Jahrhunderten, die ja notwendigerweise fĆ¼r das Instrumentarium jener Zeit geschaffen wurden, auf modernen Instrumenten und besonders auf dem Akkordeon interpretiert werden dĆ¼rfen, ist bereits Jahrzehnte alt und sollte spƤtesĀ­tens seit Jacquesā€˜ Loussiers swingender ā€žPlay Bachā€œ-Einspielung beantwortet sein.

Die Antwort muss also lauten: Ja, man darf! Und hinzuzufĆ¼gen ist, man sollte sogar, sofern mehr dabei herauskommt, als der Beweis, dass es mƶglich ist, das Originalwerk z.B. auf dem Akkordeon zu spielen. Kƶnnen also die Einspielungen von Stefan Hussong den Cembalo SoĀ­naten von Antonio Soler einen Erkenntnisgewinn beisteuern, den die OriginalinstrumentieĀ­rung nicht aufweist?

Ɯber das kĆ¼nstlerische Potenzial braucht man sich bei dem mit vielen nationalen wie internatioĀ­nalen Preisen bedachten Stefan Hussong nicht zu unterhalten, allein die Frage zu stellen, wƤre bereits eine Relativierung seiner auƟergewƶhnlichen technischen und interpretaĀ­toriĀ­schen FƤhigkeiten, die zuvor schon viele andere Rezensenten seiner Ć¼ber 40 Titel umfassende Diskographie hervorgehoben haben.

Antonio Solers Cembalo-Sonaten sind nun die letzten in dieser Reihe. In einem persƶnlichen GesprƤch, das der Rezensent mit Stefan Hussong per Videoschaltung fĆ¼hrte, verriet Hussong, dass er die Noten zu den Sonaten jahrzehntelang im Schrank liegen hatte und der mit der Corona-Pandemie verbundene Lock-Down des ƶffentlichen Kulturlebens ihn wieder an diese Sonaten erinnerte. Letztlich verschaffte ihm die Pandemie die Zeit, sich mit Antonio Soler intensiv Ā zu beschƤftigen.

Was also ist das Ergebnis an Hussongs Auseinandersetzung mit Solers Werk, und was ist das Besondere an seinen Interpretationen der zehn Sonaten, die er auf seiner neuen CD versamĀ­melt hat? Befasst man sich nƤher mit Solers Sonaten, so fallen zunƤchst das musikalische Raffinement und der Ć¼berschƤumende Einfallsreichtum auf, was bei diesen StĆ¼cken fast schon reflexhaft an Scarlatti denken lƤsst. Es sind aber vor allem diese insgesamt 120 Sonaten, die Solers Ruhm begrĆ¼ndet haben, stellen sie doch jeden Interpreten nicht nur vor groƟe technische, sondern auch interpretatorische Herausforderungen.

Viele von Ā Solers Sonaten – und darin seinem Lehrer Scarlatti nicht unƤhnlich – kƶnnen ihre NƤhe zu spanischen Volksweisen nicht verbergen und Ć¼berraschen daher, mitunter voll leidenschaftlicher Lebensfreude und ExpressivitƤt, mit stƤndig neuen Glanzlichtern aus der musikalischen Farbpalette des Komponisten.

Es bedarf wohl eines Interpreten wie Steffan Hussong, der es versteht, die komplex verschlungenen und verƤstelten Klangraffinessen der Sonaten hƶrbar durchsichtig und erfahrbar zu machen. Mit besonderer Hingabe spĆ¼rt Hussong diesen Eigenheiten auf seiner dreimanualigen Gola nach und entschlĆ¼sselt so die „geheimen Codes“ Soler‘ scher KompoĀ­sitionskunst.

Und so beantwortet sich die oben gestellte Frage nach der ZulƤssigkeit von Akkordeon-Interpretationen bereits durch das Instrument selbst: Im Gegensatz zum Cembalo mit seinen gezupften und daher nachklingenden Saiten, (so als ob man z. B.Ā  ein Klavier mit stƤndig gedrĆ¼cktem Pedal spielen wĆ¼rde), verwischt das Akkordeon nichts und fƶrdert wie selbstĀ­verstƤndlich die den StĆ¼cken zugrunde liegende „kompositorische Mechanik“ zutage. Dies freilich erfordert virtuose FƤhigkeiten in der Beherrschung des Instrument ebenso, wie ein tiefes VerstƤndnis fĆ¼r die musikalisch-kĆ¼nstlerischen Intentionen der Komponisten der Barockzeit.

Es ist eben jener Erkenntnisgewinn, der das Akkordeon fĆ¼r die Darstellung besonders dieser Kompositionen als geradezu prƤdestiniert erscheinen lƤsst. Stefan Hussong lƤsst dabei keinen Zweifel an seiner Kompetenz, diese Musik auf neue und eindrucksvolle Weise erlebbar zu machen.

Gleich zu Beginn erƶffnet Hussong den Reigen mit der Sonate „No. 88 in D-Flat Major“. Mit groƟer Emphase reizt er lustvoll die rhythmisch verzwickten Verschachtelungen in dieser Sonate aus und kommt dabei der Ć¼berspringenden Leichtigkeit und Lebensfreude in Solers Komposition nahe wie kaum ein anderer.

Ɯberhaupt bietet Hussong mit den 10 Sonaten, die er nach eigener Aussage zwar nach persƶnlichen PrƤferenzen auf seiner CD versammelt hat, dennoch einen guten Querschnitt durch Solers 120 Sonaten, von langsamen, fast kontemplativ anmutenden, StĆ¼cken (ā€žNo. 36 in C-minorā€œ), Ć¼ber tƤnzerisch inspirierte StĆ¼cke, die an hƶfische Belustigungen denken lassen („No. 62 in B-Flat Major“) bis zu StĆ¼cken von brillanter Leichtigkeit („Sonate No. 45 in G-Major“), die dem Interpreten Hussong nun tatsƤchlich die Gelegenheit bieten, die dem AkkorĀ­deon innewohnenden, einzigartigen Gestaltungsmƶglichkeiten hinsichtlich Rhythmik und Dynamik voll auszureizen.

Ob Cembalo oder Akkordeon, es ist, wie immer in der Musik, auch eine Frage des Geschmacks, welchen Instrumenten man den Vorzug gibt. Unzweifelhaft ist jedoch der instrumententechnisch bedingte Vorteil des Akkordeons, kompositorische Feinheiten von Barockkompositionen, die zu jener Zeit mit den damaligen instrumentalen Mƶglichkeiten nur sehr eingeschrƤnkt realisierbar waren, nun in allen Schattierungen hƶrbar zu machen.

Es ist das Verdienst von Musikern wie Stefan Hussong, der sich dieser Aufgabe mit Hingabe widmet, dieses auch einem durchaus anspruchsvollen Publikum zugƤnglich zu machen. Mit seiner inspirierten Neueinspielung der Soler-Sonaten untermauert Stefan Hussong seinen unzweifelhaften Rang als einer der profiliertesten Akkordeon-Interpreten der Gegenwart.

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