Marie-Andrée Joerger: Bach en miroir

Bach en miroir (deutsch: Bach im Spiegel) heißt die Debut-​CD der französischen Akkordeonistin Marie-​Andrée Joerger.

19. Mai 2021

Lesezeit: 3 Minute(n)

Klarthe Records, 2021

Marie-Andrée Joerger: Bach en miroir

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Bach en miroir (deutsch: Bach im Spiegel) heißt die Debut-​CD der französischen Akkordeonistin Marie-​Andrée Joerger, die in diesem Frühjahr bei Klarthe Records erschienen ist. Die Zusammenstellung des Albums überzeugt durch ein klares Konzept: Es sind ausschließlich Präludien und Fugen zu hören. Das Werk Johann Sebastian Bachs erhält hier – wie der Titel bereits vermuten lässt – einigen Platz: Sechs seiner Präludien und Fugen aus dem ersten und zweiten Band des Wohltemperierten Klaviers bilden den Rahmen der Einspielung. Joerger wählt die Bach-​Stücke geschickt aus und präsentiert sie stilsicher. Mal kommt die Musik schlicht daher, mal lyrisch, mal aufbrausend virtuos. Die Fugen sind transparent gestaltet, die Registrierung steht im Dienst der Musik und unterstreicht den kontrastierenden Charakter der Stücke.

Dazwischen finden sich in chronologischer Reihenfolge ausgewählte Präludien und Fugen anderer Urheber(innen), die zwischen Spätbarock und Gegenwart entstanden sind: Claude Balbastre, einer der bedeutendsten französischen Organisten des 18. Jahrhunderts, ein halbes Jahrhundert nach Bach geboren, steht in der Tradition seines großen Vorbilds. Sein hörbar für die Orgel komponiertes Werk profitiert von der Flexibilität des Akkordeons und Joerger gelingt auch hier die Balance zwischen rhythmischer Präzision und musikalischer Verspieltheit. Die Akkordeonfassung von Wolfgang A. Mozarts Präludium und Fuge KV404a ist eine Art „Spiegel im Spiegel“: Der Komponist bearbeitete mehrere Präludien und Fugen aus der Feder Bachs für Streichtrio. Die hier vorliegende Version basiert nun auf der „Rücktranskription“ für Klavier. Vor allem im Präludium ist Mozarts Handschrift klar hörbar zu erkennen, in Joergers sensibler Tongestaltung hört man dabei nahezu den Streicherklang durchscheinen.
Clara Schumann führt in ihrem Präludium gleich zu Beginn die Harmonik der Romantik ein und schafft damit eine belebende Weiterentwicklung in der Programmfolge der Einspielung. Das Repertoire ist interessant ausgewählt und zusammengestellt. Man wünscht sich, mehr Interpret(inn)en würden sich auf den Weg machen, Musik von Komponistinnen ausfindig zu machen und zur Aufführung zu bringen.
Auch Max Regers Präludium und Fuge op.99, ursprünglich für Klavier komponiert, wird – zu Unrecht – relativ selten gespielt. Virtuose Passagen wechseln mit harmonischen Wendungen ab, die einen Ausblick auf das 20. Jahrhundert anzubieten scheinen. Eine Überraschung und ein dramaturgischer Höhepunkt der Einspielung ist die erst im Jahr 2019 entstandene Komposition des Franzosen Thierry Escaich. Virtuos beginnt Joerger das Präludium und nimmt ihre Zuhörer sofort mit in eine zeitgenössische Klangsprache, die nur auf den ersten Blick ein Bruch zum Vorangegangenen ist.
Schnell wird klar, was Präludium und Fuge von heute mit der Bach-​Musik von gestern zu tun haben: Freie Form und strenger Kontrapunkt werden hier fortgeführt und instrumental auf die Spitze getrieben. In dieser einzigen Originalkomposition des Repertoires gelangt das Potential der Musikerin als eine virtuose und gestaltungssichere Interpretin besonders zur Geltung – und auch die klangliche Stärke des Akkordeons. Davon wünscht man sich mehr.
Spätestens bei der letzten Bach-​Fuge am Ende der Aufzeichnung zeigt sich, dass Joergers Konzept aufgeht: Die zeitlosen Stücke Bachs spiegeln sich in der Musik seiner „Nachfolger“ und nach einer guten Stunde Dauer hat sich die eigene Hörperspektive auf Bach und seine Musik spürbar verändert, sie wurde sozusagen unmerklich in die Gegenwart gebracht. Fazit: Die Einspielung ist sehr zu empfehlen und ein gelungenes Beispiel für ein durchdachtes, ausgezeichnet konzipiertes Akkordeonalbum, das eigene Maßstäbe setzt.

Text: Eva Zöllner Foto: Klara Beck

https://www.marieandree.fr/fr/

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