Tasten oder Knöpfe?

Neues von Dascha Goldberg

20. Juni 2024

Lesezeit: 3 Minute(n)

Schon seit Beginn meines Musikstudiums (während dem ich erst angefangen habe, MIII zu lernen), stellte ich mir die Frage, ob es doch lieber ein Knopfakkordeon sein sollte statt der Tasten. Schon seit meiner Kindheit hörte ich: …
Text: Daria Goldberg

„Bayan-Spieler:innen“ können nur schnell spielen, aber nicht musikalisch.“

„Knopfakkordeon klingt nicht schön, es ist nur ein schnelles Durcheinander.“

„Das Gefühl ist nicht das richtige…“

„Tastenspieler:innen, die zum Knopfakkordeon wechseln, schaffen es nie, professionell aufzutreten.“

„Umzulernen ist Zeitverschwendung, das lohnt sich nicht, das wirst du bereuen.“

All das hörte ich von vielen erwachsenen Profis. Von sehr vielen, von denen ich mir Unterstützung oder weise Worte erwartet hatte.

Ich fühlte mich auf dem Tasten-Akkordeon schon immer sehr eingeschränkt: Ich kann dies nicht spielen, weil Töne fehlen, kann das nicht spielen, weil das Register nicht hoch genug klingt (hohe Töne fehlen), kann jenes nicht spielen, weil die Abstände zu groß sind etc… Zu viele Einschränkungen; zu viel Potenzial, das verlorengeht. Ich suchte aber das maximale Potenzial des Instruments… Und habe mich während des Masterstudiums entschlossen, auf Knöpfe zu wechseln. Unterstützt haben mich unglaublich liebe Freundinnen und Freunde, ohne die ich es niemals geschafft hätte.

Ein Akkordeon auf Ebay, in der Nähe der Heimat meiner Freunde… ein Zeichen? Mittlerweile spiele ich auch klassischen Konzerten nur das Knopfakkordeon und werde meinen Masterabschluss damit beenden, nicht wie den Bachelor. Den absolvierte ich auf Tasten.

Ich hätte früher wechseln sollen. Aber zu große Zweifel, Unsicherheit und Angst standen im Weg. Es ist so, wie es ist, und man macht das Beste daraus.

Also: Falls jemand, oder du dir selbst, dir die Frage stellt: welches Akkordeon – Tasten oder Knopf? Frag erstmal: Welche Musik?

Hast du schon mal Klavier gespielt? Wenn ja, dann ist es auf jeden Fall einfacher, auf Tasten zu spielen. Für Volks- und Unterhaltungsmusik ist ein Tasten-Akkordeon auch praktisch, ein Knopfakkordeon genauso oder noch mehr. Wenn man die Muster verschiedenster Akkorde kennt, kann man damit sehr leicht in alle Tonarten transponieren und begleiten (so weit bin ich selber leider noch nicht). Wenn das Spezialgebiet die Alte Musik ist, also mit Transkription von Klavier auf Akkordeon (Bach, Frescobaldi, Rossi, Scarlatti, Rameau etc.), ist natürlich ein Tasten-Akkordeon auf den ersten Blick einfacher, da die Finger der rechten Hand bereits sehr gut liegen. Das heißt aber nicht, dass es auf Knöpfen unmöglich ist! Es ist nur anders.

Alles andere sind meiner Meinung nach Argumente für das Knopfakkordeon:

  1. Es bietet das MAXIMUM eines Akkordeons in Bezug auf den Ambitus: Die rechte Hand beim Tasten-Akkordeon hat maximal 47 Tasten, auf dem Knopfakkordeon sind es 107 Knöpfe (64 Töne).
  2. Man ist nicht mehr „eingeschränkt“, das heißt, man muss nichts vom Knopf- für das Tasten-Akkordeon umschreiben, keine Kompromisse machen, weil z.B. Töne fehlen, damit es „passend“ klingt.
  3. Die tiefen Töne auf der rechten und linken Hand klingen ähnlich, das heißt, man kann auf dem Instrument sehr effektvolle Klänge erzeugen, was mit dem Tasten-Akkordeon NICHT geht.
  4. Man kann größere Akkorde greifen.
  5. Man hat mehr Möglichkeiten – bzw. MAXIMALE Möglichkeiten – des Akkordeons für neue Musik und Improvisation – das, was für mich die Zukunft ist!

Es spricht NICHTS dagegen, umzulernen. Nur der Kopf. Der Weg ist hart, sehr sehr hart. Die ersten Wochen denkt man, man macht überhaupt keine Fortschritte. Aber nach und nach wird es besser, man merkst selbst nicht, wie es vorwärts geht. Man ist nicht so flexibel wie früher auf den Tasten, aber das kommt mit der Zeit! Man verlernt die Tasten nicht.

Es ist, als würde man ein neues Instrument lernen. Es ist eine neue „Landkarte“ für die rechte Hand, that’s it! Auch wenn ich sehr, sehr, SEHR spät mit dem Umlernen angefangen habe, bereue ich es nicht. Ich fühle mich auf dem Instrument frei wie noch nie, mit einem sehr vollen, massiven Klang, der auf Tasten leider nicht möglich ist (weil ein paar Stimmzungen und anderes fehlen).

Meine Reise hat mich nach Estland geführt, wo ich mich nun auf Improvisation fokussiere, ständig neue Techniken entdecke und mich freue, das Knopfakkordeon bei mir zu haben! Danke an meine lieben Freundinnen und Freune, die mich zu diesem wichtigen Schritt ermutigt haben. Sonst wäre ich noch weiter frustriert an den Tasten gesessen.

Tasten oder Knöpfe?

Für mich: KNÖPFE! Hab‘ keine Angst. Es gibt so viel schöne originale Akkordeonliteratur, die man nicht auf Tasten spielen kann. Die sollte sich keiner entgehen lassen.

Welchen Griff?

Der B-Griff ist wegen der Anatomie der Hand am bequemsten. Aber es gibt da keine Regel. Am idealsten wäre natürlich C-Griff links und B-Griff rechts…

Liebste Grüße

Darja

5 Kommentare

  1. Jan Hennecke

    Hallo Darja,
    welche Schule (Buch) empfiehlst Du denn, neben einem Lehrer(in)? Gibt es überhaupt Literatur mit Knopfakkordeon Fingersätzen? (B-Griff bei mir). Oder reichen Deiner Meinung nach ein paar Grundlagen-Fingersätze für Dur-Moll- etc.-Tonleitern, mit entspr. Akkord-Griffen und dann geht es schon von selbst? Ich will mehr frei begleiten (können) und eher keine Partituren abspielen.

    Jan

    Antworten
    • Darja

      Lieber Jan,

      Ich spiele selbst C-Griff und habe damals leider keine Literatur finden können – daher selbst alles irgendwie gelernt (habe leider nicht so viele tipps von Lehrern bekommen)

      Da B-Griff eher im Osten gespielt wird (Serbien, Russland hauptsächlich, Ukraine, Polen) sind Lehrbücher von dort zu empfehlen. Sehr berühmt sind Juri Shishkin, die Selbst-lern Bücher geschrieben haben, Friedrich Lips, Vatcheslav Semenov.

      Ich selbst habe vor ein paar Jahren ein Buch von Richard Galliano entdeckt – was mir eben nicht passt, weil alles in B-Griff. (Viele Scales in Jazz, Chords etc. )

      Am wichtigsten ist es die bequemste Positionen zu lernen, damit die Finger automatisch ‘richtig’ stehen und ohne zu stolpern sich bewegen können.

      Trotzdem sind Lehrer:innen zu empfehlen. Entscheidend sind nicht nur Fingersätze sondern auch die Position, das Denken und viele andere Kleinigkeiten was in Büchern nicht vermittelt werden kann.

      Ich kann (wenn auch nur ein paar) Stunden mit einem Lehrer / Lehrerin nur empfehlen! Nicht wird Musik studiert. Man kann auch Studierende fragen, meistens sind es nur die Basics, die man braucht.

      Ich hoffe die Frage konnte beantwortet werden.

      Ich Versuche noch Literatur zu finden und werde es hier posten. Alles liebe, viel Spaß und Erfolg!

      Antworten
  2. Ralf Kaupenjohann

    Ich selber habe den Weg der Kollegin vor vielen Jahrzehnten ebenfalls beschritten. Allerdings würde ich mich freuen, wenn man bei der Argumentation bis zuletzt sich auf Sachargumente stützen würde. Die letzte Formulierung: „Am idealsten wäre natürlich C-Griff links und B-Griff rechts…“ entbehrt jeglicher Logik.

    In Polen wurde zu Zeiten des Eisernen Vorhangs das Knopfakkordeon mit Standardbässen traditionell meist mit dem B-Griff des großen Bruders aus dem Osten ausgestattet, also mit B-Griff-Anordnung. Jupiter-Instrumente fanden den Weg weniger nach Polen, dafür aber die Weltmeisterinstrumente aus Klingenthal. Diese hatten aber vor allem für die Piano-Spieler links ein vorgelagertes C-Griff-Einzeltonmanual. Und so kam es vermutlich zu der Symbiose dieser beiden Griffsysteme in ein einziges Instrument. Was ist daran „ideal“?

    Antworten
    • Darja

      hey Ralf – danke für dein Kommentar – mit ideal meinte ich, dass B-griff rechts anatomisch sehr gut in der Hand liegt und C-Griff links logisch da die Hände parallel laufen – so hat mir das ein Lehrer mal erklärt und ich fand die Idee überzeugend. (vielleicht verwechsel ich da was, aber ich sage auch nicht, dass jeder das so machen muss.)

      als ich c-griff links lernte hat mein gehirn das C-System nicht lernen wollen. Automatisch ging meine Hand nach unten wenn es in die tiefe Töne ging, und nach oben wenn es in die hohe Töne (also eine Anordnung des B systems) . Anfangs war es sehr schwer zu begreifen dass oben tiefe Töne sind, und unten Hohe (C-System). Vielleicht habe ich da wirklich was verwechselt! (Für mich wäre B besser)
      ich bitte um Entschuldigung.
      Allerdings geht es in dem Artikel nicht darum, welches System. Es geht um die Frage Tasten oder Knöpfe. Weil ich damals nie wusste und mir Hilfe oder Unterstützung gewünscht hätte, die es nie gab ( ich habe sehr viel recherchiert) und nirgends hilfreiches finden konnte.
      Das war mein Ziel.
      Nicht eine Debatte welches System ‚besser’ sei. wie gesagt es gibt kein ideal es ist nur meine momentane Meinung die sich in Zukunft vielleicht ändern wird. Darüber kann glaube ich nur jemand wirklich diskutieren, der ALLE Systeme beherrscht.

      Generell ist es sehr schade, dass es so viele unterschiedliche Akkordeon Systeme gibt – wir sind alle Akkordeonisten und können nicht am selben Instrument spielen.

      und wie gesagt, entscheidend ist nicht das System sondern das Ergebnis, dass man sich als Musiker:in auf der Bühne/ am Instrument wohlfühlen und Spaß hat. Wer welche Qualen durchgegangen ist, wird keiner Fragen. Die Performance ist entscheidend, das Ergebnis und das Erlebnis.

      LG

      Antworten
  3. Darja

    Was ich vergessen habe zu sagen:

    Am Ende macht es keinen Unterschied, wer welches Instrument spielt.
    Das Wichtigste ist, dass man sich wohlfühlt am Instrument und Spaß hat. Kaum jemand wird fragen, wie jemand was gelernt hat.
    Das Ergebnis, die Performance ist entscheidend und ist unser gemeinsames Ziel.

    Antworten

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