Text: Stephan Möbius
Wenn Geschichte zum Leben erwacht
Hainbach, Komponist und experimenteller elektronischer Musiker, ist vor allem durch seinen YouTube-Kanal unter Synthesizer-Enthusiasten bekannt geworden. Mit akribischer Sorgfalt entlockt er alten elektronischen Fernmelde- und Messinstrumente Musikalität, indem er sie für seine Musik- und Kunstperformances zweckentfremdet. Seine Videos erklären Synthese- und Verfremdungstechniken der elektronischen Musikgeschichte und graben vergessene Schätze der elektronischen Klangerzeugung aus.
Oft werden ihm die Instrumente von Sammlern und Enthusiasten zugetragen, denn Hainbach gelingt es mit seinem einfühlsamen Gehör und sensiblen Vorgehen, selbst unscheinbaren Geräten feinste und unerwartete Töne zu entlocken.
Ein seltener Fund: Die Hohner Multimonica II
Mit seinem jüngsten Video berührt Hainbach – nicht zum ersten Mal – die Akkordeon-Welt. Erneut wurde ihm eine Rarität zugetragen: eine von ihm lang ersehnte Hohner Multimonica II. Dieses außergewöhnliche Instrument wurde um 1950 von Harald Bode entwickelt und von Hohner lizensiert. Bode war ein Pionier und Genius der frühesten elektronischen Musik und Erbauer monofonischer und polyfonischer elektronischer Orgeln und Fürsprecher für die damals neue Transistortechnik. Nach seiner Auswanderung nach Amerika hatte Bode maßgeblichen Einfluss auf die legendären Entwicklungen von Donald Buchla und Robert Moog. Seine Instrumente wurden von Pionieren und Legenden wie Oskar Sala und Wendy Carlos gespielt.
Der Stellenwert dieses Instruments als Zeitzeuge der Übergangszeit von „akustischer“ zu elektronischer Musik kann gar nicht hoch genug geschätzt werden. Es verkörpert exemplarisch, wie der Weg zur heutigen elektronischen Klangsynthese mit Oszillatoren fast zwangsläufig von Zungeninstrumenten mit Resonanzkörper und Orgelregistern herführen musste – durch die Schnittmenge der gehaltenen Mehrtönigkeit.
Wie könnte man ein Instrument nicht lieben, das einen großen runden „Hauptschalter“ besitzt?
Schwindelfreieit und Griffsicherheit erforderlich. 🙂
Das Video ist Englisch:

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