Unter Patronanz des russischen Kulturministeriums, der russischen Gnesin-Musikakademie sowie des Friedrich Lips-Fonds fand in der Zeit vom 13.-17. Dezember 2023 bereits zum 35. Mal das traditionelle Internationale Festival „Bajan und Bajanisten“ im Konzertsaal der russischen Gnesin-Musikakademie in Moskau statt, das im Zeichen von drei Jubiläen stand: 150. Geburtstag von Jelena Fabianowna Gnesina, 75. Jahrestag der Fakultät der Volksinstrumente sowie der 75. Geburtstag von Volkskünstler Professor Friedrich Lips. Es ist bemerkenswert, dass sämtliche Konzerte von Absolventen und Studenten der aktuellen Klasse des Jubilars bestritten wurden.
Text und Fotos: Herbert Scheibenreif
Im Laufe der Jahrzehnte seines Bestehens hat dieses prestigeträchtige internationale Festival hunderte herausragende Musiker aus der ganzen Welt zusammengebracht, u.a. J. Kasakow, A. Beljajew, V. Semjonow, A. Skljarow, J. Dranga, O. Scharow, A. Dmitriev, J. Schischkin, V. Romanko (Russland), M. Ellegard (Dänemark), M. Rantanen (Finnland), H. Noth (Deutschland), E. Moser (Schweiz), M. Dekkers (Holland), V. Zubitsky (Ukraine), M. Bonnay und M. Azzola (Frankreich), Art Van Damme (USA), Frank Marocco (USA) sowie berühmte Ensembles – das Ural Trio, das N. Rizol Quartett (Ukraine), das Russian Timbre Quintett, das V. Kowtun Trio, das A. Musichini Quartett (Frankreich) usw. Das Festival repräsentiert nicht nur anerkannte Meister der Akkordeonkunst, sondern auch talentierte junge Künstler. „Bajan und Bajanisten“ macht die breite Öffentlichkeit mit modernen russischen und ausländischen Kompositionen für das Akkordeon bekannt: von Klassik bis Jazz, von populärem Pop bis Avantgarde.
Friedrich Lips mit seiner Klasse
Maria Wlasowa, Dozentin für Akkordeon an der Gnesin-Akademie, gestaltete als Solistin den ersten Teil des Eröffnungskonzerts mit M. Rombergs Konzert „Requiem der Runen“ für Chor und Akkordeon (2023, Moskauer Premiere) und E. Podgaits‘ Konzert Nr. 4 „Reime der Zeit“ für Akkordeon und Kammerorchester (2022, Weltpremiere, Friedrich Lips gewidmet). Begleitet wurde sie dabei vom Gnesin Ensemble für zeitgenössische Chormusik „Altro Coro“ unter seinem künstlerischen Leiter und Dirigenten Alexander Ryzhinsky sowie dem Kammerorchester des Moskauer Staatlichen Konservatoriums P.I. Tschaikowski unter seinem künstlerischen Leiter und Chefdirigenten, Volkskünstler Russlands Felix Korobow. Aus Anlass seines 80. Geburtstags war der zweite Teil dem Andenken an den Volkskünstler Viktor Gridin (1997 verstorben) gewidmet. Die Solisten Olzhas Nurlanov, Ruslan Kochkin, Alexander Eysold, Alexander Gataullin, Timur Galinurov, Wsewolod Jakubowski und Alexander Bukin brachten zusammen mit dem Staatlichen Akademischen Russischen Volksensemble „Russia“, benannt nach. L. Zykina, unter seinem künstlerischen Leiter Dmitry Dmitrienko, Verdienter Künstler Russlands, die inzwischen klassischen Originalwerke und Bearbeitungen Viktor Gridins zu Gehör.
Maria Vlasova
Zu Beginn des zweiten Abends spielte Michail Burlakow zuerst die Weltpremiere von Kirill Wolkows Sonaten-Elegie „Briefe an den Lehrer“, danach mit seinem Solistenensemble „Gnesin-Forum“ Werke von L. Schurbin, E. Podgaits und T. Sergejewa, wobei es sich die Komponistin nicht nehmen ließ, selbst den Klavierpart bei ihrer „Dunkelroten Rose“ zu übernehmen. Sehr unterhaltsam verlief der zweite Teil mit Semjon Schmelkow und einem Ensemble von Schlaginstrumenten unter der Leitung von Ilja Melichow, unterstützt von der Pianistin Alexandra Muradowa, mit Werken von V. Kobekin (Feiertag für zwei) und E. Denisow (Fantasie über das Thema eines Liedes aus den 30er Jahren „Ein Dampfschiff fährt am Hafen vorbei“). Das Transurale Trio (Pjotr Babin, Jewgeni Krascheninnikow, Vitali Bogoljubow) ließ den Abend mit virtuosen Werken von W.A. Mozart/A. Volodos (Türkischer Marsch), C. Saint-Saens (Bacchanale), E. Derbenko (Moskauer Taxifahrer) und V. Charlamow (Fantasie über zwei russische Themen) ausklingen.
Olzhas Nurlanov (Gewinner des „Coupe mondiale“ in München 2021)
Das dritte Konzert stand ganz im Zeichen von Volkskünstler Friedrich Lips, der im ersten Teil zusammen mit dem Kammerorchester der Russischen Gnesin-Musikakademie (Dirigent: Andrei Rein) Werke von G. Kancheli (Kapote) und M. Bronner (Vier Sätze aus dem Zyklus „Sieben jüdische Lieder“: Jahre der Kindheit; Geh nicht spazieren; Oh, Mom; Süßes Mädchen) sowie zwei Tangos von A. Piazzolla interpretierte. Anfang der 1990er Jahre brachte Friedrich Lips die Musik Astor Piazzollas nach Russland und feierte mit seinem von ihm gegründeten „Piazzolla-Studio“ (gebildet aus Friedrich Lips, den Verdienten Künstlern Russlands Vladislav Igolinski und Kirill Rodin sowie Swjatoslaw Lips) auch international große Erfolge. Neben Piazzollas Tanguango, Libertango, Frakanapa, Meditango, Escualo und Fugato erklangen auch „La Cumparsita“ von J. Rodriguez/A. Piazzolla sowie E. Podgaits‘ „Cocktail „Rio Rita“.
Sergei Osokin
Im vierten Konzert ließen es sich Nikita Ukrainski und Ilona Savina (Duo „Fusion“), Olzhas Nurlanov, Lin Jinghan, Timur Galinurow, Ruslan Kochkin, Semjon Schmelkow, Samgar, Leo Florin Murawjow, Alexander Eysold, Anton Dowbja, Rafael Sapukow, Aidar Salachow, Robert Alevetdinow, Arthur Adrshin, Josif Puritz und Alexander Gataullin nicht nehmen, für ihren verehrten Professor zu spielen. Abschließend spielte ein Unison von 10 Bajanisten (Leitung: Semjon Schmelkow) den „Boléro“ von Maurice Ravel.
Sergey Voitenko und sein Duo „Bajan-Mix“ begeisterten ebenso wie Aidar Salachow und sein „Trio Elegato“ das Publikum des Abschlusskonzerts mit ihren Originalwerken und Arrangements. Stoyan Karaivanov gewann im heurigen Jahr den Wettbewerb in Klingenthal in der Kategorie „Bandoneon“ und wurde in seiner Heimat Bulgarien zum „Musiker des Jahres“ gewählt. Das Programm für seinen Auftritt auf der großen Bühne des Gnesin-Konzertsaals bestand aus Werken von Julio de Caro (La Rayuela), Daniel Binelli (Paris desde aqui), Massimo Mori (Recuerdos de Bohemia), Astor Piazzolla/Nestor Marconi (Decarissimo) und Anselmo Aieta (Corralera). Sergei Osokin und sein Ensemble beschlossen das Konzert mit eigenen Werken sowie Bearbeitungen aus dem Jazz.
Plakat des Jubiläumskonzerts von Lips mit dem Gnessin Kammerorchester und seinem Piazzolla-Studio
Jedes Jahr wird beim Festival ein Sonderpreis verliehen: die „Silver Disc“ für besondere Verdienste um die Bajan/Akkordeonkunst. Unter den Preisträgern befinden sich führende Interpreten, Komponisten, Lehrer, Musiker, Meisterdesigner. In diesem Jahr erhielten Maria Wlasowa, Juri Bryschew, Konstantin Platonow und Sergei Kostomjotow die begehrte Auszeichnung. Während des Festivals fanden im Foyer des Konzertsaals der russischen Gnesin-Musikakdemie Ausstellungen von Noten sowie Vorführungen von Musikinstrumenten statt.
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