Accordion Revolution

Rezension zur Akkordeon-Chronik von Bruce Triggs

19. Februar 2024

Lesezeit: 2 Minute(n)

Das Akkordeon und seine Abkömmlinge haben sich von Europa über alle anderen Kontinente ausgebreitet und lassen sich sogar in Usbekistan und in der Musik Südafrikas finden. In Deutschland galt es lange Zeit als ein verstaubtes „Schrebergarteninstrument“ und sein Ruf wurde für junge Leuten durch den Einsatz im kommerziellen „Volksmusik“-Schlager verdorben. Es war dann der Irish-Folk-Boom in den 1970ern, der zeigte, dass viele Vorurteile unberechtigt waren. Der umtriebige (Slide-) Gitarrist Ry Cooder erreichte weitere Hörer:innen, als er mit dem Virtuosen Flaco Jiménez aus Texas aufnahm. Welche Rolle das Instrument darüber hinaus in Nordamerika spielte, zeigt Bruce Triggs‘ Buch Accordion Revolution, das bereits 2019 bei Demian & Sons Publication erschien.

Auf mehr als 400 Seiten mit interessanter Bebilderung spürt der Autor dem Einfluss des Akkordeons auf die Musik der USA und auch Kanadas von den Anfängen bis heute nach. Er beginnt mit der Rolle des Akkordeons in der Minstrel- und Vaudeville-Musik des 19. Jahrhunderts. Es folgen Ausführungen zur Rolle des Instrumentes in verschiedenen traditionellen Stilen in Nordamerika. Zahlreiche Protagonisten finden Berücksichtigung: für Texas/Mexiko beispielsweise Santiago und Flaco Jiménez, Eva Ybarra, Los Tigres del Norte; für Cajun und Zydeco Amédé Ardoin, Clifton Chenier, Queen Ida.

Besonders wertvoll ist die Erwähnung zahlreicher Musiker:innen, die in Europa (fast) ganz unbekannt geblieben sind. Die irischen Wurzeln der Akkordeonmusik in Nordamerika werden ebenso beschrieben wie der Beitrag der jüdischen Immigrant:innen, die den Klezmer mitbrachten. Interessant sind auch die Ausführungen zum Jazz, in dessen Anfangszeit das Instrument durchaus eine gewisse Rolle spielte. Ähnlich war es im Blues. Bruce Triggs erinnert daran, dass der 1949 verstorbene, legendäre Folk/Blues-Musiker Leadbelly, der als Spieler der zwölfsaitigen Gitarre bekannt war, sich auf einigen erhaltenen Aufnahmen auch mit dem Akkordeon oder einer Konzertina begleitete. Danach wurde der Instrumentenplatz in der Blues-Szene ganz der Gitarre und der Mundharmonika überlassen.

Auch den Rock hat das Instrument kaum erreicht. Zu den wenigen Ausnahmen gehören Willy DeVille, der sich vom Cajun hat beeinflussen lassen und das Instrument hier und da eingesetzte, wie auch Ry Cooder, der zusammen mit Flaco Jiménez Einflüsse des Tex-Mex verarbeitete. Wem es noch nicht aufgefallen ist: bei den Beach Boys hört man das Schifferklavier bei ihren Hits God only knows und Wouldn’t it be nice. Das war es aber auch schon weitgehend mit Akkordeon im Rock.

Accordion Revolution ist ein faktenreiches und spannendes Werk, das den meisten Akkordeonfreund:innen neue Einsichten verschaffen wird. Das Einzige, was man vermisst, ist eine begleitende CD- oder Vinyl-Kompilation.

Willi Klopottek

Bild: © Demian & Sons Publications

 

 

 

 

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