Eine sichtbare Konzertstimme

Jörgen Habedank begleitet Musik mit Bleistift und Skizzenblock

3. März 2024

Lesezeit: 4 Minute(n)

 

Es dürfte kaum einen Musikliebenden geben, der sie nicht zu schätzen weiß: gute Konzerte. Jeder Mensch erlebt sie anders, genießt sie auf individuelle Weise und nimmt sie anschließend mit nach Hause – in Form einer Stimmung, in Form von Gedanken oder auch schlichtweg tagelangen Ohrwürmern. Einer dieser Musikliebenden ist der Künstler Jörgen Habedank. Der Farbmaler, Glasmaler, Zeichner – und Lebenskünstler, als der er sich selbst bezeichnet – hat sein Atelier vor den Toren Hamburgs in einer alten Mühle. Regelmäßig nimmt er sein „kleines Atelier“, sprich sein Skizzenbuch und einen Bleistift, mit auf Reisen: in Konzerte. Und wenn er von dort heimkommt, hat er etwas ganz Besonderes im Gepäck: Zeichnungen einzelner Musikerinnen und Musiker, die er zuvor auf der Bühne gesehen hat, gezeichnet im Stil der dabei gehörten Musik, in der Atmosphäre des Konzerts. Im Interview mit akkordeon.online spricht Jörgen Habedank über seine Art der musikalischen Kunst, durch die er Konzerten eine sichtbare Stimme hinzufügt.
 

Nicolae Gutu (2023)

Herr Habedank, wie sind Sie auf die Idee gekommen, Ihren Skizzenblock regelmäßig mit ins Konzert zu nehmen?

Das Zeichnen war für mich schon seit meinem Kunststudium immer Fundament für die künstlerische Arbeit. Damals habe ich den Ehrgeiz entwickelt, schnell zu erfassen und „bewegliche Objekte“, das waren meist Menschen, die unterwegs draußen waren, zu skizzieren. Dann kamen Musikerinnen und Musiker dazu – im Konzert konnte ich ruhig sitzen und das bewegte Geschehen dort vor meinen Augen (und Ohren) beobachten und möglichst schnell erfassen. Das Zeichnen wurde für mich immer wieder „Etüde“, Fingerübung für das Sehen. So wie für den Musiker das Spielen von Etüden Übung für das Spiel, Beweglichkeit und Klang ist. Für mich wurde es Sehschulung, Übung von Schnelligkeit, Improvisationsvermögen und Sicherheit des Striches. Die Steigerung war dann die jahrelange Begleitung eines Zirkusfestivals als Zeichner – da hält nichts still, alles ist Bewegung.

Michel Portal (1998)

Ihre Zeichnungen zeigen die Musikerinnen und Musiker meist als Solistinnen und Solisten – egal, wie viele Personen im Konzert tatsächlich auf der Bühne standen. Wie entscheiden Sie, wen Sie zeichnen?

Natürlich muss ich fokussieren, muss mir bei Bands oder Orchestern auf der Bühne also aus der Fülle des Angebotes einen Hauptblick heraussuchen. Es geht mir beim Zeichnen vor allem um die Darstellung der Innigkeit zwischen Instrument, Mensch und Klang. Die Entscheidung für diesen oder jenen Musiker, diese oder jene Musikerin, den bzw. die ich skizziere, fällt einerseits optisch – es gibt Instrumente, die eine besondere Innigkeit zulassen, Menschen, die eine hervorstechende Ausstrahlung haben. Andererseits auch akustisch – ein intensiver Klang kann auch den Zeichenstift anziehen.

Inwiefern verändert das Zeichnen Ihr Konzerterlebnis, was macht es mit Ihnen?

Ich lebe dann ja in zwei Welten – der akustischen und der optischen. Beide Eindrücke fließen in mich hinein, beide fließen auch in die Zeichnung. Ein largo führt eher zu einer genaueren, ruhigen Zeichnung, ein presto kann eine wildere, bewegtere Skizze werden. Besonders gelungene Zeichnungen lassen bei der Betrachtung ein Klangerlebnis, eine Musikerinnerung, wach werden.

Ksenia Sidorova (2017)

 

Wie kann man sich den Prozess des Zeichnens im Konzert genau vorstellen? Und bearbeiten Sie die Bilder anschließend noch weiter?

Iim Konzert habe ich wirklich nur das Skizzenbuch und verschiedene Druckbleistifte dabei – verschiedene deshalb, damit ich nicht zwischendurch anspitzen muss. Das reicht, hier entstehen reine Bleistiftskizzen. Ich improvisiere viel, fasse Bewegungen zusammen, teilweise erscheinen mehrere Hände oder viel mehr Finger, um Schnelligkeit darzustellen. Ich habe kein fotografisches Gedächtnis, kann eine Position also nicht „einfach nachzeichnen“; die Haltungen der Akteure sind improvisierte Zusammenfassen eines Zeitraumes – die „Belichtungszeit“ beträgt ca. zwei bis vier Minuten. Einige der Zeichnungen bekommen dann später, im Atelier, eine leichte Kolorierung mit Aquarell. Mehr mache ich nicht mit den Skizzen. Es würde mich überhaupt nicht reizen, größere Bilder daraus zu machen, dann wäre die Spontaneität weg; der Zauber des Musikmomentes ist nur live im Konzert da, lässt sich nur da einfangen! Übrigens zeichne ich auch außerhalb von Konzerten gerne zu Musik. Hier widme ich mich dann allerdings dem Musikalischen selbst, also dem Klang. Das versuche ich auf ganz andere Weise als bei den Musikerzeichnungen: In meiner Farbmalerei gibt es Kompositionen, die sich mit Farb-Klang, mit Farb-Ton, mit Musik auf optischen Wege beschäftigen. Das ist auch meine Haupttätigkeit – eigentlich bin ich ja Komponist von Farben!

Richard Galliano (1998)

Wie reagieren die gezeichneten Musikerinnen und Musiker auf Ihre Werke?

Falls sie die Zeichnungen zu sehen bekommen – das ist ja längst nicht immer der Fall –, dann sind sie oft völlig überrascht. Es entstehen ja oft viele Skizzen in einem Konzert, 15 bis 20, wenn ich gut „im Flow“ bin. Wenn die Musikerinnen und Musiker solch eine Abfolge sehen, dann heißt es oft: „so viel, so schnell?“ Ich dann: „Sie spielen schnell, ich zeichne presto.“

Gibt es Ihre Zeichnungen öffentlich zu sehen?

Nicht dauerhaft bisher. Hier und da habe ich temporäre Ausstellungen mit Zeichnungen gemacht. Eine kleine Auswahl gibt es auf meiner Website zu sehen. Aber die Fülle der Skizzenbücher kann ich da nicht zeigen. Im Atelier gibt’s Originale zu sehen, auf Anfrage ist das zu besuchen. Auf Nachfrage stelle ich auch eine Auswahl bestimmter Instrumente oder Musiker zusammen und maile sie zu. Ausstellungen mit Musikerskizzen biete ich immer an. Wer Interesse und Ideen hat, kann sich sehr gerne bei mir melden.

Alle Zeichnungen sind käuflich zu erwerben. Weitere Informationen zu Jörgen Habedank und seiner Kunst gibt es unter https://www.farbige-kunst.de/-zeichnungen/-musik/index.php.

Andreas Hinterseher 2012

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