Aus unserem Archiv 2018
Christoph Papendieck ist Produzent und Songwriter sowie international gefragter Live-Musiker; so ist er zum Beispiel als Keyboarder für Tom Jones im Einsatz.
Einigen ist Christoph Papendieck vielleicht als musikalischer Direktor der deutschen Popikone Helene Fischer bekannt. Deren aktuellen Sound hat er seit 2010 durch raffinierte Live-Arrangements maßgeblich geprägt. Als Arrangeur von Titeln des Rekordalbums „Farbenspiel“ – unter anderem der Album- und Singleversion von „Atemlos durch die Nacht“ – hat er einiges zum grandiosen Erfolg beigetragen.
TEXT: DETLEF GÖDICKE FOTOS: MIKLAS WRIEDEN, DENNIS DIERKSEN, CHRISTIAN GÜNTHER, ROLF TINGLER
Schon in den 2000ern entwickelte Christoph Papendieck das Live-Konzept der Band Schiller, nachdem er mehrere Jahre mit dem Wegbereiter der elektronischen Musik, Jean-Michel Jarre, gearbeitet hatte. Papendieck verbrachte lange Zeit in England, wo er sich als Arrangeur, Programmer und Livemusiker für erfolgreiche Popbands wie Westlife, Blue und Girls Aloud einen Namen machte. Seit 2003 arbeitet er mit seinem Produzenten-Kollegen Roland Spremberg in einer Studiogemeinschaft in Hamburg. Mit Roland startete er schon Anfang der 90er-Jahre als Mitglied der Band The Land seine musikalische Karriere. Papendiecks Schwerpunkt liegt in hochwertigen und kreativen Arrangements und der Erarbeitung von musikalischen Konzepten. Songwriting und Produktion gehen damit Hand in Hand.
Aktuell arbeitet Christoph Papendieck als Produzent an mehreren Projekten, unter anderem an dem neuen Album von Michelle. Zudem ist er weiterhin für Helene Fischer und Tom Jones tätig.
Im Sommer 2015 ruft Christoph „Chris“ Papendieck, musikalischer Leiter von Helene Fischer, einen erfahrenen Akkordeonexperten aus Norddeutschland mit guten Beziehungen zur Firma Hohner an. Den Kontakt bekam er zuvor vom Autor eines Musikfachmagazins im Laufe eines Interviews. Chris braucht dringend ein eigenes Akkordeon für seine TV-, Studio- und Livearbeit mit Helene Fischer, der Sängerin Michelle sowie für weitere Produktionen. Bislang hat er sich immer bei Bedarf in Hamburg in einem Spezialfachgeschäft für Akkordeons ein Instrument geliehen. Seit vielen Jahren promotet Chris Instrumente der Firma Roland und bekommt dafür Unterstützung bei seinem Equipment; einen ähnlichen Ablauf wünscht er sich nun für sein neues Akkordeon. Wichtig ist für ihn vor allem eines: Das Instrument muss leicht sein. Sein Telefonpartner verspricht sich zu kümmern – und fährt mit dem Auftrag, ein neues Akkordeon für Papendieck zu besorgen, zur jährlich stattfindenden Hausmesse von Musik Meyer, dem deutschen Vertrieb der Firma Hohner.
Die Idee, ein Instrument von Hohner bei einem musikalischen Act zu platzieren, der 2015 in Deutschland mehr CDs verkauft als AC/DC, stößt bei Ulrich Felden, Hohner-Produktmanager bei Meyer, genauso auf offene Ohren wie bei der anwesenden Hohner-Geschäftsleitung aus Trossingen. Mit einem klaren „Ja, wir machen das!“ kehrt Papendiecks Bekannter nach Norddeutschland zurück. Hohner und Musik Meyer erklären sich sogar bereit, die Kosten für ein besonderes Design des Akkordeons zu übernehmen.
Das „Skully“-Akkordeon
Christoph Papendieck ist begeistert. Der Akkordeonfachmann rät zu einer Hohner Amica III 72 in Schwarz als Basismodell, dazu mit Ausnahme der Chromteile auch sonst alles in Schwarz, also selbst die weißen Tasten im Diskant. Die beiden Männer entwickeln daraufhin in Zusammenarbeit mit einem erfahrenen Lackierer aus dem Schwarzwald das Design. Besonderer Clou: Der Hohner-Schriftzug soll auf die hohen Diskanttasten lackiert werden, als einzige Applikation am Instrument in Weiß. Hintergrund seiner Idee ist die Tatsache, dass bei Fernsehaufzeichnungen die Kameras oft die rechte Hand des Akkordeonisten beim Spiel zeigen. So würde bei diesem Design auch der Hohner-Schriftzug jedes Mal im Bild erscheinen. Chris selbst wünscht sich ein Totenkopfdesign, was bei den Beteiligten für Erheiterung sorgt. Daraufhin erklärt Chris lachend, das zeige wohl seine dunkle Seite in der ansonsten so hellen Welt des Schlagers. Nachdem alle Details des Designs abgesprochen und abgesegnet sind, schickt Ulrich Felden von Musik Meyer das gewählte Modell zum Umlackieren nach Süddeutschland.
Zwei Wochen später steht das neu lackierte Akkordeon auf dem Arbeitstisch des Akkordeonexperten in Norddeutschland. Um Gewicht zu sparen, baut dieser die Bassstimmstöcke aus. Wie auch viele andere Akkordeonisten in großen Bands oder Orchestern braucht Chris Papendieck das Bassmanual nicht; der Melodiesound der rechten Hand wird benötigt, aber das Spiel auf dem Bassmanual stört eher die ausarrangierten Parts von Bassist und Gitarrist in der Band. Der Reparateur verschließt durch eine Eigenkonstruktion die vorhandenen Klappenöffnungen im Bassteil, sodass auch ein versehentliches Drücken eines Bassknopfes keinen zusätzlichen Luftverbrauch hervorruft. Mit anderen Worten: Man kann auf dem Instrument so tun, als spielte man auf dem Bassmanual – und das ohne Auswirkungen auf den Luftverbrauch.
Des Weiteren bekommt das Akkordeon einen Balgschoner und breite, stark gepolsterte Tragriemen für einen optimalen Tragekomfort auf der Bühne. Da die offenporige Gaze unter dem Diskantverdeck beim Lackieren ohnehin entfernt werden musste, klebt der Reparateur eine engporige, edel glänzende schwarze Gaze aus Italien unter das Verdeck. Diese unterstreicht zusätzlich den edlen Gesamteindruck des Akkordeons. Zu guter Letzt bekommt das Instrument eine DPA-Mikrofonierung mit Schwanenhals, einen eigens entwickelten Spezialhalter für das Mikrofon auf der Oberseite des Diskantteils und zum sicheren Transport in einem 40-Tonner-Lkw ein Sideloader-Gigbag sowie ein Heavy Duty Tourcase. Das Akkordeon wird zunächst im Gigbag verpackt und mit diesem zusammen anschließend im Tourcase verstaut.
Customized – für Christoph Papendieck Anfang Oktober 2015 ist es so weit: Instrumentenübergabe in Papendiecks Haus in Hamburg. Chris ist sprachlos angesichts seiner neuen „Akkordeon-Schönheit“ und weiß auf Anhieb gar nicht, wie er sich überhaupt bedanken soll. Plötzlich fällt ihm etwas ein: Er geht zu seinem Schreibtisch und greift zu einem Stapel DVDs, von dem er die oberste dem „persönlichen Lieferanten“ als Geschenk in die Hand gibt. Es ist ein Exemplar der gerade ausgelieferten DVD der „Farbenspiel“-Stadiontournee von Helene Fischer. Das Akkordeon liegt derweil auf dem Wohnzimmersofa. Ein Blick auf das Akkordeon, dann auf die DVD – und beide können es nicht fassen: Ohne dass die am Akkordeon-Design Beteiligten jemals darüber gesprochen hätten, sind DVD und Instrument farblich exakt aufeinander abgestimmt. Das kann nur Gedankenübertragung sein …
Was wurde beim „Skully“-Akkordeon customized?
• BBasis: Hohner Amica III 72, schwarz
• Auftrag von Hohner, Musik Meyer/Marburg
• komplett umlackiert/ geairbrusht
• Bassstimmstöcke ausgebaut, Luftöffnungen im Bassteil verschlossen, Gewichtsvorteil 1 kg, Balgschoner, gepolsterte Tragriemen
• DPA-Mikrofonierung mit Spezialhalterung für den Diskant
• Sideloader Gigbag made in Germany
• Heavy Duty Tourcase für den schonenden Transport des Akkordeons in einem 40-Tonner-Truck im Gigbag
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