Praxis-​Guide Jazzakkorde 2

Die wichtigsten Jazzakkorde solltest du kennen

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7. September 2023

Lesezeit: 5 Minute(n)

Der Autor Peter M. Haas lebt in Berlin, spielt und unterrichtet Klavier, Akkordeon, Bandoneon.

Nachdem wir die Struktur von Jazzakkorden und die ersten wichtigen Vierklänge kennengelernt haben, geht es in dieser Folge um neue interessante Griffmöglichkeiten für diese Akkorde. Außerdem werden wir drei wichtige Begriffe näher klären: Die „Akkordstufen“ einer Tonleiter und die Bedeutung der Begriffe „Progression“ und „Quintfall“.

Was bisher geschah:

  • In Folge 1 (siehe auch Akkordeon magazin #84) haben wir den Aufbau der Jazzakkorde dargestellt, vom Basisvierklang zum erweiterten, komplexen Akkord.
  • Eine Tabelle gab uns eine grobe Faustregel, wie wir (noch) unbekannte Akkordsymbole umsetzen können.
  • Als grundlegende Vierklänge haben wir den „maj7“-Akkord und den „m7“-Akkord kennengelernt, dazu kommt als dritter wichtiger Vierklang der (längst bekannte) Dominantseptakkord, der Akkord mit der „7“.
  • Wir haben erste Griffmöglichkeiten für diese Akkorde kennengelernt und konnten sie am Stück Changes In Tune ausprobieren.
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Hallo zusammen, und willkommen bei Folge 2! Zwei grundlegende Vierklänge waren in der vergangenen Folge das Thema, der Durakkord mit der großen 7 („maj7“) und der Mollakkord mit der kleinen 7 („m7“). Diese Akkorde klingen wunderbar, aber die Griffe dafür auf der Bassseite sind gewöhnungsbedürftig. Ein kleiner Umweg hilft uns, Griffe zu finden, die wesentlich unkomplizierter zu greifen sind.
Vorher aber möchte ich einige wichtige Grundbegriffe erklären, damit wir uns später umso besser der Praxis zuwenden können.

Akkordstufen – wie geht das?

Aufgabe 1:

Untersuche selbst: Welche Akkordtypen findet man auf den einzelnen Akkordstufen?

  • Auf Stufe I steht der Cmaj7-​Akkord. Es gibt noch eine weitere Stufe, auf der wir einen maj7-​Akkord finden – welche ist das?
  • Auf Stufe II steht der Dm7-​Akkord. Es gibt noch zwei weitere Stufen, auf denen wir einen m7-​Akkord finden – welche sind das?
  • Auf welcher Stufe finden wir einen Dominantseptakkord?

Hinweis: Auf Stufe VII ist ein interessanter Vierklang, der weder ein Moll7– noch ein Dur7-​Akkord ist. Diesen sogenannten halbverminderten Akkord werden wir in einer der nächsten Folgen näher kennenlernen.

Akkordfolgen als Stufen bezeichnen
Wir haben uns bereits mit der Akkordfolge Dm7 – G7 – Cmaj7 beschäftigt. Wie können wir sie als Stufen innerhalb von C-​Dur bezeichnen? Es ist:

Dm7 = Stufe II
G7 = Stufe V
Cmaj7 = Stufe I,
sodass unsere Akkordfolge der Stufenfolge II – V – I entspricht.

Damit die Folge überzeugend klingt, müssen die Griffe natürlich passend umgekehrt werden, etwa so wie im folgenden Notenbeispiel:

Wer Jazz spielt, wird unentwegt mit solchen II  V – I-​Akkordfolgen zu tun haben, denn sie sind der grundlegende Baustein der Harmonik im Standard-​Jazz. Mit dem Begriff des Quintfalls werden wir gleich noch einmal auf diese Akkordfolge zurückgreifen.

Aufgabe 2

Untersuche das Stück Changes In Tune!
Es beginnt mit den Akkorden Em7 – A7 – Dmaj7. Auch dies ist eine II – V – I-​Folge. In welcher Tonleiter?
Die dritte Zeile beginnt mit den Akkorden Cm7 – F7 – Bbmaj7. Auch dies ist eine II – V – I-​Folge. In welcher Tonleiter?

Progression – was ist das?

Progress heißt Fortschritt. Spreche ich von „Progression“ in Bezug auf Harmonik, meine ich die Art und Weise, mit welcher Bewegung eine Akkordfolge fortschreitet.

  1. Wir könnten zum Beispiel eine Rückung vornehmen: von einer Akkordstufe zur benachbarten, also z. B. Cmaj7 & Dm7 & Em7 & Fmaj7
  2. Wir können jeweils um eine Terz springen, womit wir zum parallelen Akkord bzw. zum sogenannten Gegenklang kommen: Cmaj7 – Am7 – Fmaj7 – Dm7.
  3. Wir können aber auch Fortschreitungen benutzen, bei denen der Basston um eine Quinte abwärts fällt:
    D $ eine Quinte tiefer = G
    G $ eine Quinte tiefer = C
    Dm7 $ G7 $ Cmaj7 ist also ein solcher Quintfall.

Quintfall – das harmonische Salz in der Suppe

Damit sind wir beim Begriff „Quintfall“. Von allen möglichen Progressionen ist der Quintfall die spannungsvollste Progression.
Der kleinste aller Quintfälle ist die Schlusswendung Dominante $ Tonika (oder in Stufen ausgedrückt: V $ I), mit der die Mehrzahl aller Musikstücke endet.

Auch hier natürlich mit entsprechender Wahl der Umkehrung:

Quintfall-​Akkordfolgen – im Quintenzirkel abgebildet

Hier kommt der berühmte Quintenzirkel ins Spiel – denn die Bewegung eines Quintfalls lässt sich einfach als Bewegung im Quintenzirkel ablesen. Zwei Beispiele: A7 ist Dominante von D, F7 ist Dominante von B♭ – so sieht das im Quintenzirkel aus:

Jazzkadenz im Quintenzirkel
Genauso ist es mit der Akkordfolge II $ V $ I, die schon oben in dieser Folge abgeleitet wurde:

Jazzkadenz und andere Progressionen

Damit haben wir das theoretische Rüstzeug zusammen, um verschiedene typische Progressionen zu untersuchen und praktische Griffbeispiele zu liefern, wie wir sie in der Begleitung auf den Knöpfen umsetzen können. Das wird der Leitfaden für die kommenden Folgen dieses Tutorials sein. In vorliegender Folge bleibt die Jazzkadenz II – V – I unser Thema.
Griffe für diese Jazzkadenz wurden bereits in der vergangenen Folge gezeigt. Viele Leser hätten sich sicher gewünscht, dass es einfachere Möglichkeiten gibt, diese Akkordfolge zu fingern. Und, welch ein Glück – es gibt sie!

maj7-​Akkord und m7-​Akkord plus None

Wer Jazz spielt, weiß: (Fast) Jedem Akkord darf (fast) jederzeit ein zusätzliches Intervall hinzugefügt werden, nämlich die None. Das wird nicht ins Akkordsymbol geschrieben, es darf „einfach so“ gemacht werden und wird auch beständig gemacht:

(Natürlich verwendet man diese gespreizten Griffe in der Praxis nie, sie dienen hier nur dazu, den Akkord deutlich zu zeigen. Meist wird man auf den Tasten den Grundton weglassen, denn der wird ja vom Bass gespielt.)
Das Akkordsymbol mit dem Vermerk „7/9“ habe ich ebenfalls nur hier zur Verdeutlichung angebracht – wie schon gesagt, der Gebrauch der None wird nur in sehr seltenen Ausnahmefällen im Akkordsymbol angezeigt.
Diese erweiterten Griffe kann man aber auch in die Knöpfe der linken Hand legen! Eine kurze Überlegung hilft dabei.

Der Cmaj7-​Akkord mit None lässt sich darstellen als Zusammenklang zweier Durdreiklänge, der Cm7-​Akkord mit None lässt sich darstellen als Zusammenklang zweier Molldreiklänge; und genau das kann ich natürlich für meine Griffe der linken Hand nutzen.

Vorsicht – fetter Klang: sparsam registrieren!

Ein wichtiger Rat: Wenn du diese vollen Griffe einsetzt, sollte dein Akkordeon links nicht mit dem vollen Werk registriert sein! Sonst würde der Klang zu fett und wuchtig klingen. Moderne Akkordeons bieten meistens ein Klangregister für die linke Seite an, bei dem die Bässe ungeschmälert klingen, aber die Akkorde nur sparsam belegt sind. Die Praxis zeigt auch, dass die Griffe für schnell swingende Begleitungen oft nicht taugen, aber wenn es sich eher um eine Ballade handelt, kann man mit ihnen die Klangfülle voll auskosten.
Die Folge Dm7 – G7 – Cmaj7 aus unserem Stück Changes in Tune lässt sich mit diesen Griffen verblüffend einfach fingern.

Gönne dir doch das Vergnügen und begleite die vollständige Melodie Changes In Tune durchgängig mit diesen Griffen! Hier noch einmal das Leadsheet:

Freilich wird man diese Griffe nicht immer anwenden. Es hängt von Tempo, Stil und Charakter des Stücks ab, ob es sich eignet, sie zu benutzen. Im folgenden Heft gehe ich näher auf die verschiedenen Griffweisen ein und unsere Jazzkadenz wird um einen zusätzlichen Akkord zum „Turnaround“ erweitert.

Bis dann, bleibt dran!
Herzlichst euer Peter M. Haas

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