Bajanmusik vom Feinsten

Olzhas Nurlanov war auf internationaler Tournee

ao+

20. November 2023

Lesezeit: 5 Minute(n)

Der bekannte Bajan-Spieler Olzhas Nurlanov aus Kasachstan ging im September 2023 mit seinem neuen Soloprogramm auf internationale Tournee. Ein Glücksfall für hiesige Akkordeonfans, dass er auch in Deutschland Station machte, denn das aktuelle Repertoire des erst 22 Jahre alten Künstlers umfasst ausgesuchte Werke, die man in dieser Dichte, Zusammenstellung und Qualität sonst nicht zu hören bekommt.
 Text: Ortrun Wagner

Sein unprätentiöser Auftritt, verbunden mit phänomenaler Virtuosität, musikalischer Empfindsamkeit und ungeheurer Ausdruckskraft sorgt immer wieder für Überraschung, so auch in der Heilig-Geist-Kirche zu Heppenheim, wo Akkordeon-Freund:innen und Fachpublikum fasziniert seinen Darbietungen lauschten. Der Hausherr, Pfarrer Frank Sticksel, fasst die Eindrücke im Publikum zusammen:

„Olzhas Nurlanov, der schmale, junge Mann, nimmt mit seinem Instrument, dem Bajan, vorne vor dem Publikum seinen Platz ein. Freundlich lächelnd schaut er kurz in die Runde. Dann scheint sein Blick nach innen zu wandern. Er wirkt ruhig, zurückhaltend. Das Konzert beginnt. Ungehörte Akkordeon-Klänge erfüllen den Raum. Zunächst barocke Stücke, Bach, Scarlatti. Klar gegliedert. Virtuos gespielt. Ohne Mühe, wie es scheint. Mühelos, doch innerlich bewegter geht es weiter: Holminov, Mussorgsky, Mendygaliev. Die Stücke sind Transkriptionen für das Bajan. Nurlanovs Finger fliegen über die Knopfgriffe, sein wechselnd starker Druck auf den Balg erzeugt mal leiseste Töne, oft aber wird es sehr bewegt. Traumbilder werden geweckt, Seelenlandschaften entstehen, mal zerrissen, dann wieder harmonisch, immer aber hoch emotional.

Das Publikum ist gebannt. Intensiviert wird die Stimmung durch die Stücke von Zolotarev, Glinka und die Bearbeitung der „Danse macabre“ von Saint-Saëns. Begeistert und wie erlöst applaudiert das Publikum. Gelöst spielt Nurlanov nun auch noch die letzten Stücke seines Programms: Bei der Akkordeon-Transskription des Schumann-Stücks „The Smuggler“ scheinen die Töne aus dem Instrument zu perlen wie die Bläschen in einem Champagner. Und zum Schluss bewegt und begeistert ein Ragtime das Publikum so sehr, dass Nurlanov noch mehrfach für Zugaben zurückkehrt. In dem voll besetzten Konzertsaal sind sich alle einig: Ein solches Konzerterlebnis ist unvergesslich.“

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Steile Karriereleiter

Die musikalischen Erfolge des jungen Künstlers, der im bereits zarten Alter von acht Jahren seine Bühnenlaufbahn antrat, sind außergewöhnlich. Wjatscheslav Semenov, berühmter Bajanist und Professor an der Gnessin-Akademie in Moskau, erkannte und lobte Olzhas‘ professionelle Stabilität und die hohe Komplexität seines Vortrages schon, als der mit 14 Jahren den Wettbewerb „Kaspische Welle“ gewann. Er studierte bei Friedrich Lips an der Gnessin-Akademie in Moskau und konnte mit Anfang 20 bereits über 30 höchste internationale Auszeichnungen für sich verbuchen. TV-Reportagen, Berichte in Print- und Online-Medien spiegeln seine Auftritte. Besonders stolz ist man auf ihn in seiner Heimatstadt Pawlodar: Olzhas Nurlanov ist der erste und bisher einzige Weltmeister in der Geschichte der kasachischen Bajan-Schule.

Gruppenbild der Weltmeister - Luka Simic (Serbien), Sieger der Cupe Mondiale 2023 mit seinen Welt-Champion-Kollegen, die auf dem Festival anwesend waren: Alexander SELIVANOV (Russland - 2004), Grayson Masefield (Neu Seeland - 2009), Aleksandr Komelkov (Russland - 2016), Kirill Rusinov (Russland - 2019), Olzhas Nurlanov (Kasachstan - 2021) und Dragoslav Vasiljević (Serbien - 2022)

Foto: Coupe Mondiale CIA

Über seine jüngste Konzertreise berichtet die kasachische Zeitung Pawlodar online:


Der bekannte Bajan-Spieler Olzhas Nurlanov aus Pawlodar tourte durch Europa

Der Träger des Weltmeistertitels unter den Bajanist:innen und Akkordeonist:innen Olzhas Nurlanov gab eine Reihe von Konzerten in europäischen Städten und nahm auch am renommierten internationalen Wettbewerb der Akkordeonisten in Castelfidardo teil, bei dem er Silber gewann.

Seine diesjährige Tournee begann Anfang September in Bosnien und Herzegowina, wohin Olzhas Nurlanov vom Organisator des Coupe Mondiale 2023, Slavischa Peric, eingeladen worden war. Als Sieger des Jahres 2021 gab der Musiker in Bijelina ein Solo-Konzert für Teilnehmer und Gäste des Wettbewerbs, nachdem er zuvor in der Stadt Ugljevik zusammen mit dem Präsidenten der Internationalen Vereinigung der Bajanisten Europas, der Confédération Internationale des Accordéonistes (CIA, Mitglied des Internationalen Musikrates und Mitglied der UNESCO), dem Italiener Mirko Patarini, und den Gewinnern der Weltmeisterschaft der vergangenen Jahre, Grayson Masefield aus Neuseeland und den Russen Kirill Rusinov und Alexander Selivanov, aufgetreten war.

„Mich hat es sehr gefreut, dass kasachische Musiker am diesjährigen Wettbewerb teilgenommen haben“, so Olzhas Nurlanov. „Samgar Tolkynkhan, ein Lehrer der kasachischen Universität für Kunst aus Astana, wurde eingeladen, in der Jury der Seniorenkategorie mitzuwirken, und in der Kategorie ‚Junior‘, in der mehr als 20 Teilnehmende aus der ganzen Welt antraten, belegte Tanbol Yerlik den siebten Platz. Generell ist Kasachstan heute auf der Karte der weltweiten Bajan-Kunst gut sichtbar. Alle großen Wettbewerbe und Festivals kennen unsere Schule, man wartet dort immer auf unsere Teilnehmer mit Verständnis für das hohe Niveau ihrer Vorbereitung.“

Nach den vorbildlichen Auftritten beim Cup warteten auf den Musiker drei Konzerte in Serbien: am 10. September trat Nurlanov in Kragujevac, am 11. September in Valjevo und am 12. September in Kralevo auf.

Von Serbien aus reiste der Bajanist nach Castelfidardo in Italien, wo einer der renommiertesten internationalen Wettbewerbe für Akkordeon- und Bajan-Spieler stattfand. In der Kategorie von Olzhas Nurlanov nahmen etwa 20 Personen an dem Wettbewerb teil. Nach den Ergebnissen von drei Runden – zwei solo und die dritte mit Orchester – gewann der Kasache den zweiten Preis. Die Jurymitglieder und das anspruchsvolle Publikum merkten nicht nur das hohe Niveau seines Könnens an, sondern auch die Kunstfertigkeit und Emotionalität jeder Darbietung.

Der Besuch in Italien blieb dem Musiker nicht nur durch den Sieg beim Wettbewerb in Erinnerung. Als Ehrengast wurde er in die berühmte Beltuna-Fabrik eingeladen, wo er eines seiner hervorragendsten Werke – Adai von Kurmangazy – auf einem einzigartigen elektronischen Bajan vortrug, für das es weltweit noch keine Entsprechungen gibt. Ebenfalls als Ehrengast besuchte Olzhas die italienische Musikfabrik Pigini, die weltweit für ihre Instrumente berühmt ist.

Der Schlusspunkt der Tournee des Musikers war Deutschland: am 20. und 21. September gab er Solokonzerte in Heppenheim und Langenzenn. Es ist bemerkenswert, dass die Organisatoren dieser Konzerte die aus Kasachstan stammenden Bajan-Künstler Alexander Darscht und Eduard Ungefucht waren.

Wie Olzhas Nurlanov erzählte, standen auf dem Programm seiner Konzerte stets Werke einheimischer Komponisten wie z. B. die Poem-Legende über die Dombra von Nagim Mendygaliev sowie Werke aus dem goldenen Fundus der Weltmusik: Bach, Scarlatti, Mussorgsky, Saint-Saëns, Schumann und Werke von Komponisten, die Originalmusik für den Bajan geschrieben haben – Vladislav Zolotarev und Alexander Kholminov.

Olzhas Nurlanov plant im Jahr 2024 weitere Konzerte in der Schweiz, in Deutschland und in Serbien. Der Musiker verhandelt außerdem mit Veranstalter:innen von Tourneen in China.


(Bericht: Evgenij Lumpov in Pawlodar online, 25.09.2023, ins Deutsche übertragen von Josef Meinolf Opfermann)

Wer nun neugierig geworden ist, findet auf http://www.accordions.com/cia/2023/video06concert.htm den Videomitschnitt des Meisterkonzerts von Olzhas Nurlanov beim 76. Coupe Mondiale aus dem Jahr 2023.

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