Den Klang neu suchen

Ganz frĆ¼h hat Viviane Chassot die klassische Musik fĆ¼r sich entdeckt, und frĆ¼h genug das Akkordeon.

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11. April 2021

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Lesezeit: 10 Minute(n)

Viviane Chassot

Den Klang neu suchen

Vivianne chassot Accordeon
Photo: Marco Borggreve

Vivianne chassot Accordeon Photo: Marco Borggreve

Viviane Chassot (Foto: Marco Borggreve)

Ganz frĆ¼h hat Viviane Chassot die klassische Musik fĆ¼r sich entdeckt, und frĆ¼h genug das Akkordeon. Dass die Schweizerin beides heute in ihrem Spiel so ausgefeilt, zart und nuanciert verknĆ¼pft, ist eine Zier fĆ¼r die groƟen KonzertsƤle. Mit Orchestern kann sich die Solistin ebenso hƶren lassen wie in Duos oder bei Solo-ā€‹Recitals. Was anderen gar nicht in den Sinn kƤme, funktioniert bei ihr: Scarlatti, Beethoven, Mozart, Haydn oder Bach ā€“ sie lƤsst diese Musik am Akkordeon glƤnzen. Am anderen Ende des Spektrums gibt es Zeitgenƶssisches zu hƶren, etwa von Helena Winkelmann und Stefan Wirth. Bei aller Liebe zu den alten Meistern will sie immer zugleich Neues fĆ¼rs Konzertrepertoire ā€“ und mischt am liebsten bereits beim Komponieren mit.

 

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Viviane 1992 als junges MƤdchen (Foto: Archiv Viviane Chassot)

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Zeitungsbericht Ć¼ber erste Erfolge, hier mit Lehrer Ernst Kaelin (Foto: Archiv Viviane Chassot)

Weiche GesichtszĆ¼ge, ein charmantes LƤcheln und in einem ruhigen, reflektierten GesprƤch manchmal ein heiteres Lachen. Von ihrem Zuhause nahe des Rheins im kulturbeflissenen Basel aus gibt Schweizerin Viviane Chassot im Videointerview Einblicke in ihr bewegtes Leben mit der Musik. Am Akkordeon ist sie bekannt fĆ¼r ihren eleganten, feinsinnigen Ton mit Sinn fĆ¼r zarte Nuancen. Sie darf sich jedenfalls zu den bekanntesten Protagonistinnen der klassischen Akkordeonmusik in den groƟen KonzertsƤlen der Welt zƤhlen. Einfach war das nicht immer, aber Ć¼ber die Jahre hat die KĆ¼nstlerin bereits eine Menge erreicht. Sie trat in renommierten SƤlen auf, arbeitete mit Dirigenten wie Sir Simon Rattle und Riccardo Chailly, spielte Alben bei Genuin und Sony Classical ein und durfte sich Ć¼ber Kulturpreise wie den Swiss Ambassadors Award oder den Kranichsteiner Musikpreis freuen. Musik aus Barock, Romantik und Klassik hat Viviane Chassot von klein auf fasziniert. Da waren die Werk von Haydn, Tschaikowsky, Beethoven und Mozart, die vor allem ihr Vater zu Hause hƶrte. Als begeisterte BallettschĆ¼lerin war es oft entsprechendes Repertoire, zu dem sie ihre Choreografien tanzte. Mit elf war Viviane im Opernhausballet in ZĆ¼rich.

Aus heutiger Sicht lƤsst sich also sagen, die Musik war zuerst da. Irgendwann kam das Akkordeon dazu. Was frĆ¼h da war, war jedenfalls die diatonische Harmonika, die der Vater zu Weihnachten spielte. In der Schulklasse in der kleinen Gemeinde Wollerau im Kanton Schwyz am ZĆ¼richsee spielten auƟerdem fast die HƤlfte der SchĆ¼ler Harmonika oder Akkordeon. Die Region war voll an LƤndlerstuben und Akkordeonorchestern. Das Repertoire bestand meist aus traditionellen Liedern und regionaler Volksmusik. Den Sound von Handzuginstrumenten mochte Viviane als MƤdchen schon, nur die Begeisterung fĆ¼r das Gespielte hielt sich in Grenzen. Irgendwann musste sie das zusammenbringen, das Musikinstrument und das passende Repertoire. ā€žDann habe ich eines Tages Bach im Radio gehƶrt, am Akkordeon gespieltā€œ, erinnert sich die KĆ¼nstlerin. Da war also die VerknĆ¼pfung. Als ZwƶlfjƤhrige begann sie, das Musikinstrument zu lernen, und kaum, dass sie Knƶpfe und Balg koordinieren konnte, zƤhlten StĆ¼cke von Bach zu ihren Ɯbungen.

Akkordeonistin, was sonst?

FĆ¼r den Akkordeonunterricht gab sie sogar das Ballett auf, obwohl es ihr zuerst gar nicht leicht fiel. Zum Ɯben Ć¼berwinden musste sie sich nie. ā€žEs hat mir wahnsinnig Freude gemachtā€œ, so die Musikerin. Ihre beiden jĆ¼ngeren Schwestern probierten sich an Blockflƶte und Violine, aber die Begeisterung packte sie nicht so. Irgendwann waren es andere Dinge, die sie mehr beschƤftigten. Inzwischen ist eine ihrer Schwestern Lehrerin, die andere in der Wirtschaft tƤtig. Viviane hat die Familiengeschichte um einen vƶllig neuen Aspekt ergƤnzt. WƤhrend es in nicht wenigen Familien Ć¼ber Generationen eine Musiktradition gibt, war sie die erste, die es dorthin zog. ā€žNiemand, auch im weiten Bekanntenkreis, macht Musik, Ć¼berhaupt nichtā€œ, stellt sie fest.

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ā€žDann habe ich eines Tages Bach im Radio gehƶrt, am Akkordeon gespielt.ā€œ

FĆ¼r Viviane war es trotzdem sehr frĆ¼h beschlossene Sache, dass sie Musikerin werden wollte. Das hatte solchen Vorrang, dass ihr manche anderen Inhalte relativ Ć¼berflĆ¼ssig erschienen. ā€žIch war am Gymnasium, musste diese Schule machen, und ich hab Ć¼berhaupt keine Lust gehabtā€œ, erinnert sich die KĆ¼nstlerin. Eine gute SchĆ¼lerin war sie trotzdem. Ihre Akkordeonstudien absolvierte sie nachher in Bern an der Hochschule der KĆ¼nste und lernte dort bei Teodoro Anzellotti. Sie setzte sich frĆ¼h mit dem Repertoire vergangener Jahrhunderte und mit zeitgenƶssischen StĆ¼cken auseinander. Klassisches Repertoire lƤsst sich ausgezeichnet am Akkordeon interpretieren, obwohl es geschrieben worden ist fĆ¼r andere Musikinstrumente.
Oft entstanden solche Werke zunƤchst fĆ¼r Cembalo, andere VorgƤnger des modernen Klaviers oder fĆ¼r Streicher. Insofern liegt die Idee nahe, sich mit KĆ¼nstlern auszutauschen, die an der Interpretationskultur nƤher dran sind. Das tat Chassot ganz bewusst und zog einige Jahre nach dem Studium in Bern eigens nach Leipzig. ā€žIch ging an die Hanns Eisler Musikhochschule, um mit Eberhard Feltz zu arbeiten, einem der bekanntesten Streichquartettprofessorenā€œ, so die Akkordeonistin. ZusƤtzlich besuchte sie Meisterkurse bei etablierten Kƶnnern des klassischen Klaviers wie Ferenc Rados, Andras Schiff und Alfred Brendel. Auf die Inspiration und den kĆ¼nstlerischen Feinschliff hƤlt sie bis heute groƟe StĆ¼cke. SchlieƟlich kehrte sie in die Schweiz zurĆ¼ck, wo sie inzwischen in Basel lebt.

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Werke fĆ¼r heute

Zeitgenƶssische Komposition wiederum ist fĆ¼r sie eine kreative Quelle, an der sie im Austausch mit Komponistinnen und Komponisten selbst immer gern mitwirkt. ā€žDas ist was so Tolles, als Kommunikation und Resonanzā€œ, resĆ¼miert sie. ā€žEs ist nicht so, dass ich das in Auftrag geben wĆ¼rde, dann kommen irgendwann Noten und ich studier das ein.ā€œ Ein Beispiel aus ihrer Zusammenarbeit mit Landsfrau Helena Winkelmann wƤre Anfang Juni uraufgefĆ¼hrt worden, wƤre nicht der virusbedingte Lockdown dazwischen gekommen. Chassots Idee dafĆ¼r war, traditionelle Schweizer Volkslieder in einem zeitgenƶssischen Orchesterwerk zu verarbeiten. Winkelmanns Komposition entstand fĆ¼r Chassot als Solistin mit dem Sinfonieorchester Musikkollegium Winterthur. Nun mĆ¼ssen sich Komponistin, Musiker und Publikum bis zur Premiere noch ein wenig gedulden. Wann sie stattfinden kann, weiƟ derzeit niemand. Die Akkordeonistin hofft auf 2021.

Mit der Komponistin und Violinistin Winkelmann hat sie Ć¼ber die Jahre ƶfter zusammengearbeitet, fĆ¼r Kompositionen und gemeinsam auf der BĆ¼hne. Andere Komponisten unserer Tage, mit denen sie bisher gearbeitet hat, sind Stefan Wirth, Heinz Holliger, Rudolf Kelterborn und Bernhard Lang. AusgewƤhlte StĆ¼cke spielte sie auf ihrem Album New Horizons ein, ein stilistisches Kontrastprogramm zu ihren WĆ¼rdigungen Ƥlterer Werke. Es erreichte die Vierteljahres-ā€‹Bestenliste 3.ā€Š/2014 des Preises der deutschen Schallplattenkritik. Zwar mischt die Akkordeonistin am liebsten selbst mit bei der Entstehung von Musik, als Komponistin sieht sie sich aber nicht. Neugierig wƤre sie darauf. Was dem Komponieren bisher am nƤchsten kommt, sind wohl die Kadenzen, die sie fĆ¼r ihre Interpretationen von Mozart- oder Haydn-ā€‹Konzerten eigens entwickelt hat. Stilistisch gilt sie zu Recht als vielseitig und aufgeschlossen, denn abgesehen von Neuer Musik streckt sie ihre FĆ¼hler ebenfalls in Richtung Jazz und Improvisation aus, probiert, eignet sich an, kombiniert und integriert. So kam es ab und an vor, dass sie bei Jazzfestivals auftrat.

ā€žDas ist was so Tolles, als Kommunikation und Resonanz. Es ist nicht so, dass ich das in Ā­Auftrag geben wĆ¼rde, dann kommen irgendwann Noten und ich studier das ein.ā€œ

Viviane Chassot Ć¼ber ihre Zusammenarbeit mit zeitgenƶssischen Komponisten

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Einspielung des Mozart-Repertoires mit der Camerata Bern (Foto: Hanspeter Giuliani)

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Viviane Chassot plays W. A. Mozart ā€“ Piano Concerto No. 27 in B-flat major, K. 595, 3rd phrase

Alte Meister in neuem Sound

Die Schweizerin hƤtte eine Steilvorlage gehabt, sich nach ihrem Studium dauernd mit Neuer Musik zu beschƤftigen. ā€žIm Bereich Neue Musik gibt es als Akkordeonistin oder Akkordeonist wahnsinnig viel zu tunā€œ, so ihr Fazit. Fast hƤtte sie in Versuchung geraten kƶnnen, wegen der Anfragen von Ensembles und Komponisten nur noch das zu machen. Spezialistin fĆ¼r Zeitgenƶssische Musik am Akkordeon wollte sie nicht sein. Es ist den meisten ihrer Konzertprogramme auf den ersten Blick anzusehen, dass dort neben Werken von heute Platz vorgesehen ist fĆ¼r diejenigen aus frĆ¼heren Jahrhunderten.

Das einer der Aspekte, der fĆ¼r ihr erstes Album Joseph Haydn zu ihrem Thema machte. Zuerst waren seine Sonaten dran, nach einigen Jahren die Klavierkonzerte. Haydns Klavierkonzerte, oder zuletzt die von Mozart, am Akkordeon einzuspielen, beschreibt sie als interpretatorische Herausforderung. Klar, es ist fĆ¼r jeden klassischen Musiker, ob an Klavier, Violine oder Cello, eine anspruchsvolle Aufgabe, sich ein Werk als Interpret anzueignen. Der Weg am Soloakkordeon wurde aber bisher vergleichsweise selten beschritten. So sind die Solisten womƶglich noch etwas mehr gefordert, eine eigene Herangehensweise zu entwickeln. ā€žDie Umsetzung war absolut an der Grenzeā€œ, beschreibt Chassot. ā€žEs gab manchmal Passagen, wo ich wochenlang keine Lƶsung gefunden habe und nicht wusste, wie ich das jetzt machen soll.ā€œ Bisweilen schlug sich die Musikerin intensiv mit einigen Takten herum, bis schlieƟlich alles so klang, wie sie es sich vorstellte.
Sie gibt einen humorigen Einblick in ihre Auseinandersetzung mit Mozart-ā€‹Klavierkonzerten. ā€žDa ist es manchmal so, dass ich merke, okay, ich spiele kein Klavier ā€“ ich hab ja links nur vier Fingerā€œ, schmunzelt sie. ā€žBeim Konzert K450 fand ich, das ist so schwer! Irgendwann habe ich nachgelesen, das galt auch fĆ¼r die Pianisten als StĆ¼ck, an dem sie sich die ZƤhne ausbeiƟen kƶnnen.ā€œ Die Musikerin lacht. Am Ende hat sie fĆ¼rs Akkordeon immer die geeigneten Lƶsungen gefunden. Ein Anliegen ist ihr, dass das Akkordeon den gleichen Stellenwert als Soloinstrument bekommt wie etwa ein Klavier. ā€žIch mƶchte mit den QualitƤten dieses Musikinstruments der Musik auf eine Weise nahe kommen, die ihr absolut entsprichtā€œ, konstatiert sie. Entsprechend zufrieden war sie, dass sie in einer Konzertreihe in Bern fĆ¼r ein Solo Recital eingeladen wurde, in der unter anderem Klaviermaestro Grigory Sokolov ebenfalls auftrat.
Von der Kombination des Akkordeons mit Streichern ist sie begeistert. Bisher stand sie mit der Camerata Bern, dem Kammerorchester Basel und der SĆ¼dwestdeutschen Philharmonie Konstanz auf der BĆ¼hne. Nun sind sogar ohne Viruspandemie die Zeiten fĆ¼r Konzertreisen nicht immer einfach. Als elegante Lƶsung hat Chassot oft eine kleinere Besetzung mit Streichquartett plus Kontrabass gewƤhlt. Mit Streichquartetten arbeitet sie sowieso ƶfter zusammen, in den vergangenen Jahren mit dem Vogler Quartet und dem Pacific Quartet Vienna. Als Kontrast zu den grĆ¶ĆŸeren Besetzungen spielt sie Solorecitals und Duos, etwa mit Violine, Klarinette, Cello oder Zither.
Ist von all dem etwas als eigenes Arrangement fĆ¼r Akkordeon notiert? Das hat Chassot zumindest bisher nicht gemacht. Sie selbst verwendet bis heute die entsprechenden Klavierausgaben. FĆ¼r ein Orchester ist es, anders als man mƶglicherweise vermuten kƶnnte, sehr wohl ein Unterschied, wie das Solo gespielt wird. Die Feinabstimmung und der Zusammenklang mit einem Akkordeon gestaltet sich anders als mit einem KonzertflĆ¼gel. Chassot hat das mit so mancher Formation besprochen. ā€žDa muss man den Klang neu suchenā€œ, fasst sie das in Worte. Vor mancher Aufzeichnung hƤtte sie gern ein wenig mehr Zeit zum Proben mit der groƟen Besetzung gehabt. Allerdings hat der Orchesterbetrieb seine Vorgaben, geklappt hat es trotzdem immer gut.

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Auftritt im Festspielhaus Erl (Foto: Heike Liss)

ā€žIch mƶchte mit den QualitƤten dieses Musikinstruments der Musik auf eine Weise nahe kommen, die ihr absolutĀ entspricht.ā€œ

Wohin geht der Weg?

Ihre Konzerte fĆ¼hrten sie auf zahlreiche BĆ¼hnen, von der Tonhalle ZĆ¼rich Ć¼ber die Berliner Philharmonie und das Gewandhaus Leipzig bis zur Londoner Wigmore Hall und dem Guggenheim Museum in New York. Damit hatte die KĆ¼nstlerin Gelegenheit, sich mit dem Einfluss unterschiedlicher rƤumlicher Gegebenheiten auf den Sound ihrer Musik zu befassen. Das hat sie nachhaltig beeindruckt. ā€žEs ist erstaunlich, das ist so von der Saalakustik abhƤngigā€œ, sagt sie. ā€žIch hab schon in SƤlen gespielt mit 1500 Leuten und das Pianissimo war bis in die hinterste Reihe zu hƶren.ā€œ So wie von ihr favorisiert konnte sie unverstƤrkt musizieren. Nur bringt nicht jeder Saal dieselben Eigenschaften mit, und irgendwann Ć¼berwand die KĆ¼nstlerin also ihre Vorbehalte gegenĆ¼ber Mikrofonen. SchlieƟlich bringt das schƶnste Konzert wenig, wenn die HƤlfte der Besucher davon kaum etwas hƶrt. Klar weiƟ sie die groƟen BĆ¼hnen, Dirigenten und Orchester zu schƤtzen, allerdings genauso die kleineren Auftritte. ā€žAuch in kleinsten Orten, wo ich nie hingekommen wƤre, wenn ich dort nicht ein Konzert gehabt hƤtte, und wo jemand alles selbst organisiert, mit so viel Herzblut, und wo die Leute das so schƤtzen, das sind unglaubliche Momenteā€œ, so die Akkordeonistin. ā€žDa habe ich ganz bewegende Momente erlebt.ā€œ Anders als in den groƟen SƤlen ist in solchen Umgebungen auƟerdem der unmittelbare Austausch mit den Zuhƶrern mƶglich. Chassot mag das, sie kommt gern mit den Leuten ins GesprƤch.

In einer seltenen Eindeutigkeit hat sich Viviane Chassot mit ihrem ersten Akkordeon dem Sound des italienischen Herstellers Bugari verschrieben. Bis heute hat sie nur solche Modelle und ist verliebt in den Sound. Es ist nicht so, dass sie nicht immer wieder in der Akkordeonszene probegespielt hƤtte. ā€žIch hab viele ausprobiert, aber da kommt nix anderes ranā€œ, resĆ¼miert sie. Sogar innerhalb der Modelle desselben Akkordeonherstellers scheint sie eine Art ā€žMonogamieā€œ zu brauchen, wie sie scherzend beschreibt. ā€žFĆ¼r eine kurze Zeit hatte ich mein altes Bugari, und das neue. Das war fĆ¼r mich ganz komisch, das ging nichtā€œ, berichtet sie und lacht. Es ist nun mal so, dass sie sich auf ein bestimmtes ModellĀ einspielt.
Dass das weltweit grassierende Virus derzeit eine Menge Auftritte verhindert, findet die Musikerin natĆ¼rlich alles andere als toll. Aber sie weiƟ mit der Zeit jedenfalls etwas anzufangen. Musik findet sowieso fast immer in irgendeiner Form statt, und davon abgesehen geht sie gern drauƟen fotografieren, malt oder kocht. Die Ruhe zu Hause kann sie meist genieƟen. Es hat nicht zuletzt damit zu tun, dass vor nur einem Jahr nicht klar war, wie es Ć¼berhaupt weitergehen wird. Erst im August bekam sie eine Brustkrebsdiagnose, musste sich intensiv mit einer anstrengenden Therapie und ungefƤhren Prognosen auseinandersetzen. Nun ist die KĆ¼nstlerin wieder gesund, und seit wenigen Monaten weiƟ sie, dass sie ihr Musikinstrument genauso spielen kann wie vorher. ā€žIch hab sehr viel GlĆ¼ck gehabt, mir gehts jetzt wieder gutā€œ, freut sie sich darĆ¼ber. Musik war wƤhrend der schwierigen Phase nicht immer, aber sehr oft eine Kraftquelle, und ist das derzeit ebenfalls. Das ist genauso, wenn niemand zuhƶrt und kein Scheinwerfer die Szene beleuchtet. ā€žFĆ¼r mich ist es im Moment gut, zu merken, jetzt mache ich die Musik mal in erster Linie fĆ¼r michā€œ, erklƤrt Chassot.
Als wichtige Quelle von Energie und Trost in schwierigen Phasen beschreibt sie die Natur, wo sie immer gern ist, und ihr nahestehende Menschen. Eine groƟe Sache machen mƶchte sie aus der nun gut Ć¼berstandenen Krankheit nicht. Dass sich andere Frauen von derselben Krankheit erholt haben, war fĆ¼r sie allerdings ein wichtiger Aspekt. ā€žDas hat mir so viel Mut gemachtā€œ, sagt sie. Davon etwas weiterzugeben an andere, das wƤre in ihrem Sinn. Das Musizieren hat sich jetzt auch fĆ¼r sie pandemiebedingt ins Internet verlagert, zumindest teilweise. Dort unterrichtet sie ihre AkkordeonschĆ¼ler, so lang ein persƶnlicher Unterricht nicht mƶglich ist. Ab und zu zeichnet sie eigene Musikvideos auf und stellt sie online. Ein Konzert im Livestream? Bisher hat die Schweizerin das zwar nicht gemacht. Je nachdem, wie sich die Situation fĆ¼r den Kulturbereich in der nƤchsten Zeit entwickelt, wĆ¼rde sie so ein Format eventuell ausprobieren. Klar ist jedenfalls, dass es bald eine neue Einspielung geben soll. Mit der mƶchte sich die Akkordeonistin ausgewƤhlten Werken von Bach zuwenden, einer der ersten Quellen ihrer Inspiration als Musikerin..

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Aktuelles Album:Ā Johann Sebastian Bach (1685ā€“1750)

Akkordeon Solo

Erschien am 9. April 2021Ā bei Prospero Classical

Website: www.vivianechassot.ch

Erstmals verƶffentlicht in:

akkordeon magazin #75
August/September 2020
Fotos: Marco Borggreve, Hanspeter Giuliani, Heike Liss, Archiv Ā­Viviane Chassot

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