82. ATG – Wettbewerb und Festival

... in Kansas City, Missouri

12. August 2024

Lesezeit: 4 Minute(n)

Der Accordionists & Teachers Guild, International (ATG), 1940 in Chicago von Anthony Galla-Rini gegründet, veranstaltete vom 23. bis 28. Juli 2024 sein 82. Festival in Kansas City, Missouri, das ganz im Zeichen des 90. Geburtstags von Prof. Joan Cochran Sommers stand. Unter der sehr rührigen neuen Präsidentin Mary Ann Covone konnte ATG in den letzten Jahren einen großen Aufschwung verbuchen und viele neue Mitglieder für das Akkordeon begeistern.
Text und Fotos: Herbert Scheibenreif
ATG Jury: Liz Finch, Stas Venglevski, Joan Sommers, Michael Bridge, Herbert Scheibenreif

In seinem workshop „Authentizität von Stilen“ versuchte Cory Pesaturo wichtige Details verschiedener Stile zu vermitteln, um sie bei entsprechender Anwendung „authentischer“ erklingen zu lassen. Gordon Kohl regte in „Italienische Liebeslieder und Balladen“ an, wie man seinen Arrangements durch Ornamente, Rhythmen, Akkorde und Balgspielmethoden ein neues „Flair“ verleihen könnte. Besonders berührend war die Feier zum 90. Geburtstag von Joan Sommers, wo viele ihrer Wegbegleiter mit Video-Botschaften zu Wort kamen. Michael Bridge suchte Antworten auf die Frage, ob ein digitales Akkordeon auch wie ein akustisches klingen kann. Im Zuge seines workshops über seine diesbezüglichen Forschungen gab er digitalen Akkordeonisten auch viele Tipps hinsichtlich Programmierung und Präsentation. Nach einer Initiative von ATG wurde im Vorjahr der Dokumentarfilm „A World of Accordions Museum, A Harrington Legacy“ über das weltweit größte Akkordeonmuseum in Superior, Wisconsin mit inzwischen über 2500 Instrumenten angefertigt. Helmi Harrington hatte nun die Möglichkeit, diesen Film einer breiteren Öffentlichkeit zu präsentieren. Nikolay Bine verwies in „Accordion Basics and Improvisation Basics“ auf wichtige Details beim Akkordeonspiel, die von Akkordeonisten oft vernachlässigt werden. Durch seine Ratschläge betreffend Improvisation sollten Akkordeonisten eine größere Freiheit in ihrem Spiel gewinnen, um so zu mehr Vertrauen und Professionalität zu gelangen. Grayson Masefield (Practice Problem-Solving) zeigte, wie das Erlernen eines neuen Programms effizienter gestaltet werden kann (Fingersätze, Balg, Phrasierung, Artikulation, etc.). In „Teach Talk – Building Your Business of Teaching“ wurden Erfahrungen bei der Gestaltung des Unterrichts ausgetauscht. Professor Ted Piechocinski behandelte in seinem überaus interessanten Referat über „Sheet Music Copyright Issues“ den legalen Zugang zu gedruckter, arrangierter und copyright-geschützter Musik.

Radu Ratoi
Radu Ratoi

Neben den nationalen Wettbewerben in den verschiedenen Kategorien von klassischer, Unterhaltungs-, Ensemble- und Orchestermusik wurde heuer erstmals ein international ausgeschriebener Wettbewerb von Akkordeonsolisten abgehalten, der durch die Dotierung mit $ 5,000 sowie $ 3,000 für die ersten beiden Plätze besonders attraktiv war. Das Konzept mit den Erfordernissen eines Programms von etwa 25 Minuten mit Werken unterschiedlichen Charakters (Originalwerke und Transkriptionen) ging voll auf. Der Moldawier Radu Ratoi (Gewinner sämtlicher bedeutender Wettbewerbe der letzten Jahre) sowie der Schwede Leonid Florin Muravjov (Student von Friedrich Lips in Moskau und ebenfalls bereits Gewinner internationaler Wettbewerbe) gaben erneut Proben ihres überzeugenden Könnens. Der Chilene Joaquin Muñoz Donoso und der Amerikaner Elijah Clements konnten da nicht ganz mithalten, wurden aber für ihre durchwegs beachtlichen Leistungen auch mit Geldpreisen belohnt. Joan Sommers hatte den Vorsitz einer internationalen Jury bestehend aus Liz Finch und Stas Venglevski (USA), Michael Bridge (Kanada) und Herbert Scheibenreif (Österreich). Hoffentlich wird dieser Wettbewerb auch im nächsten Jahr durchgeführt werden können.

Michael Bridge, Leo Florin Muravjov, Joaquin Muñoz Donoso, Radu Ratoiadu
ATG prize winners: Elijah Clements, Joaquin Muñoz Donoso, Beverly Fess, Joan Sommers, Radu Ratoi, Leo Florin Muravjov

Die Abendkonzerte fanden heuer in der wunderschönen „White Recital Hall“ der University of Music Kansas City (UMKC) statt. Als Dank für ihre vielfältige Unterstützung und langjährige Freundschaft sowie als Anerkennung für ihre unzähligen Beiträge in der Akkordeonwelt hat Stas Venglevski seine neueste Suite „Poems of Life & Love“ Joan Sommers gewidmet und nun zur Uraufführung gebracht. Jeder Satz des siebenteiligen Werks ist ein Gedicht über ein geheimnisvolles Bekenntnis oder eine Offenbarung: Melodie und Harmonie, Traurigkeit und Freude sind allgegenwärtig. Nach der Pause begeisterte zuerst Nikolay Bine mit hinreißenden Jazz-Arrangements von Reinhard/Grapelli, Youmans, Richard, Galliano, Cano und Astier. Danach präsentierte der spanische Akkordeonist Gorka Hermosa Auszüge aus seinem kompositorischen Schaffen: Gernika, 26/4/1937 sowie Oda, Fasio, Peace Dream Concerto und Fragilissimo. Seine Werke werden heutzutage weltweit bei Konzerten und Wettbewerben aufgeführt. Das UMKC Community Accordion Ensemble aus Kansas City unter der Leitung von Joan Sommers spielte virtuose Arrangements von Venglevski, Daanen, Gordzei, Myronchuk, Piazzolla, Bernstein, Yiruma und Rimsky-Korsakow. CIA-Präsident Mirco Patarini brachte zusammen mit einem Streichquartett samt Perkussionisten der „Kansas City Symphony“ ein Programm von Piazzolla, Ilin, Molinelli und Melocchi zu Gehör. Ein Nachmittagskonzert stand im Zeichen von Originalmusik von Sawyer, Yang, Gart, Mertino, Astier, Venglevski, Gerow und Dikusarow. Der Neuseeländer Grayson Masefield bot zusammen mit Beau Bledsoe & Ensemble Iberica einen hinreißenden Konzertabend mit einem Piazzolla-Programm. Das abschließende Gala-Konzert wurde von den Preisträgern des „World Cup Wettbewerbs“ Radu Ratoi und Leonid Florin Muravjov sowie Michael Bridge eröffnet.

Joan Sommers
Joan Sommers Celebration

Danach glänzte das Festival-Orchester unter der Leitung von Joan Sommers mit einem spektakulären Programm bestehend aus Werken von Orff, Hermosa, Borodin, Watson, Menken und Ashman sowie Miller und Jackson. Besonders beeindruckend waren die Darbietungen des Festivalorchesters (bestehend aus 74 Akkordeonisten) zusammen mit dem Festivalchor (44 Sänger): „O’Fortuna“ aus Orff‘s Carmina Burana sowie „Let There Be Peace On Earth“. Gorka Hermosa hat sein Werk „Oparoa“ (baskisch für „wirklich voll“, bezogen auf das Leben von Joan Sommers) ebenso wie Ian Watson sein „Eternal“ („Ewig“) der Jubilarin gewidmet.

Das nächstjährige 83. Festival wird vom 16.-20.7.2025 in Chicago (Lisle) abgehalten.

https://www.atgaccordions.com/

ATG Festival Orchestra Choir

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