Das Notenblatt: Mit dem „Wilden Reiter“ …

... über Stock und Stein

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26. März 2024

Lesezeit: 3 Minute(n)

Das Notenblatt: Mit dem „Wilden Reiter“ über Stock und Stein

Aus meinem eigenen Klavierunterricht habe ich es gut in Erinnerung, das „Album für die Jugend“ Opus 68 von Robert Schumann. Wer jemals Klavierunterricht hatte, wird sicherlich einigen der Stücke aus diesem Album begegnet sein. Es sind ausdrucksvolle kleine Tongedichte, und eine Reihe von ihnen ist gar nicht so schwer zu spielen. Ich erinnere mich: Der „Fröhliche Landmann“ erschien mir mit seinem fetten F-Dur etwas allzu dreist, umso mehr mochte ich die Komposition „Erster Verlust“ – an diesem Stück durfte ich lernen, besser mit Dynamik zu arbeiten und zahlreiche Melodiebögen, die in der rechten Hand begonnen hatten, nahtlos mit der linken Hand fortzuführen.
Text und Notenarrangement: Peter M. Haas

Ein besonderer musikalischer „Joke“ ist der „Wilde Reiter“, das Stück, das ich euch heute im Notenblatt in der Bearbeitung für Akkordeon vorstelle.

„Hopplahopp“ geht es den A-Dur-Akkord entlang; die Staccato-Akzente der linken Hand illustrieren, wie Ross und Reiter – wie sagte man früher – „über Stock und Stein“ preschen. Nach nur zweimal acht Takten ist das Thema schon durch, weiter geht es in einer entfernt verwandten Tonart (F-Dur und A-Dur sind entfernte Terzverwande; die Akkorde F und A stehen als Medianten zueinander). Das Thema liegt plötzlich unten, in der linken Hand. Ist der Reiter aus dem Sattel gerutscht? Ach was. Im Endspurt, der sich nach weiteren acht Takten anschließt, sitzt die Melodie wieder „oben“ in der rechten Hand.

Aus den „Musikalischen Haus- und Lebensregeln“ von Robert Schumann

 Die Bildung des Gehörs ist das Wichtigste. Bemühe dich frühzeitig, Tonart und Ton zu erkennen. Die Glocke, die Fensterscheibe, der Kukuck — forsche nach, welche Töne sie angeben.

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Du sollst Tonleitern und andere Fingerübungen fleißig spielen. Es giebt aber viele Leute, die meinen, damit Alles zu erreichen, die bis in ihr hohes Alter täglich viele Stunden mit mechanischem Üben hinbringen. Das ist ungefähr ebenso, als bemühe man sich täglich, das A-B-C möglichst schnell und immer schneller auszusprechen. Wende die Zeit besser an.

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Suchst du dir am Clavier kleine Melodien zusammen, so ist das wohl hübsch; kommen sie dir aber einmal von selbst, nicht am Clavier, dann freue dich noch mehr, dann regt sich in dir der innere Tonsinn.

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Was heißt denn aber musikalisch sein? Du bist es nicht, wenn du die Augen ängstlich auf die Noten gerichtet, dein Stück mühsam zu Ende spielst … Du bist es aber, wenn du bei einem neuen Stück das, was kommt, ohngefähr ahnest, bei einem dir bekannten, auswendig weißt, — mit einem Worte, wenn du Musik nicht allein in den Fingern, sondern auch im Kopf und Herzen hast. 

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Es ist des Lernens kein Ende.

Das Ganze ist also musikalisch sehr einfach aufgebaut, aber rasant zu spielen und überzeugend in der Klang- und Bildwirkung: ein echter Hit der Klavierliteratur.

Didaktischer Hintergrundgedanke ist natürlich, den Schüler den Rollentausch der Hände vollziehen zu lassen. Das macht es auch für uns am Akkordeon zu einer trickreichen kleinen Fingerübung. Als ich die Läufe der linken Hand auf den Bassknöpfen heraussuchte, war ich selbst erstaunt: Solche Melodien auf den Grund- und Terzbassknöpfen zu spielen ist ungewohnt, aber nach kurzer Orientierung merkst du dann, wie bequem man auch am Akkordeonbass auf diesen Läufen „abrollen“ kann.

Übrigens: Der Druckausgabe des „Album für die Jugend“ von 1848 sollte ursprünglich noch eine Sammlung von Ratschlägen für heranwachsende Musiker beigefügt werden, mit leichter Ironie als „Musikalische Haus- und Lebensregeln“ überschrieben. Aus verlagstechnischen Gründen klappte das nicht. Bis heute sind sie relativ wenig bekannt. In diesem geplanten Anhang hat Schumann etwa 70 Regeln und Anregungen zusammengefasst. Einige davon, die mir besonders sympathisch und aktuell erscheinen, habe ich hier herausgepickt.

Viel Freude – beim Spielen vom „Wilden Reiter“ und bei der Lektüre von Schumanns Haus- und Lebensregeln!

Peter M. Haas

 

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