Das Album Family Beyond Blood des Duos Almir Meskovic & Daniel Lazar belegte im ersten Quartal 2024 Platz eins der Balkan World Music Chart (BWMC), nachdem es bereits im vergangenen Jahr im Rahmen des Auftritts der beiden Musiker bei der WOMEX auf großes Interesse gestoßen war. Sowohl Meskovic als auch Lazar blicken auf mehr als zwanzig Jahre Erfahrung in der klassischen und in der Volksmusik zurück. Mit Wurzeln auf dem Balkan bei gleichzeitiger Integration skandinavischer Elemente hat das Duo etwas wirklich Einzigartiges zu bieten. Sie mischen eine breite Palette von Stilen und Genres, von Balkanrhythmen bis Mozart, von Improvisation bis Gypsy Music.
Almir Meskovic wurde in Bosnien geboren, Daniel Lazar stammt aus Serbien. Beide wuchsen mit der Volksmusik auf, wie sie im Herzen des Balkans Tradition ist, in einer Region, in der Musik und Kulturen aus der ganzen Welt aufeinandertreffen und miteinander verschmelzen. Erst während ihres jeweiligen Masterstudiums an der Norwegischen Musikakademie lernten sich die beiden Künstler kennen. Inspiriert von den verschiedensten Epochen und Stilen, entwickelten sie dort ihre eigene musikalische Handschrift, indem sie ihren Instrumenten Akkordeon und Geige die schönsten Melodien entlockten.
Text: Tatiana Naryshkina; Ãœbersetzung: Stefan Backes; Fotos: Promo
Wie kam es dazu, dass ihr beschlossen habt, von Bosnien-Herzegowina beziehungsweise Serbien nach Norwegen zu gehen? Und wie habt ihr euch dort kennengelernt? Denkt ihr, dass ihr dort eine neue Heimat gefunden habt, oder habt ihr vor, auf den Balkan zurückzukehren?
Almir: Kurz vor Ende meines Studiums an der Musikakademie in Sarajevo, überlegte ich, wo ich meine Ausbildung fortsetzen sollte, und entschied mich für die Musikakademie in Oslo. Ich hatte bereits viele Erfahrungen in Skandinavien gesammelt, da ich häufig Konzerte in Schweden, Dänemark und Norwegen spielte. Ich möchte auch meine beiden hervorragenden Professoren, Jon Faukstad und Frode Haltli, erwähnen, denen ich für alles, was ich von ihnen gelernt habe, sehr dankbar bin.
Daniel: Eigentlich war es ganz einfach. Ich hatte mein Bachelor-Studium abgeschlossen und wollte mein Wissen erweitern und meinen Lebenslauf durch ein Auslandsstudium aufbessern. Mir standen drei Optionen zur Verfügung, und aus Oslo kam das erste Angebot zur Aufnahme. Außerdem erwartete mich dort ein toller Lehrer, sodass die Entscheidung schnell getroffen war. Almir und ich lernten uns dann an der Akademie durch unseren geschätzten Professor und Freund Steinar Ofsdal kennen, der der Meinung war, wir sollten zusammenspielen, was wir dann auch taten.
War Family Beyond Blood, das bereits im Herbst 2023 erschien, eure erste gemeinsame Arbeit? Was wolltet ihr mit dem Album aussagen? Und welche Art von „Rootsmusik“ aus euren Heimatländern verwendet ihr in eurer eigentlich sehr leicht und „nordisch“ klingenden Musik?
Almir und Daniel: Es gibt eine weitere Veröffentlichung von uns als Duo mit dem Titel Roots. Wir sind aber auch an mehreren anderen Projekten als Teil größerer Gruppen beteiligt. Die Idee hinter Family Beyond Blood war, neue Ideen und Einflüsse zu erforschen und zu zeigen, wo wir an diesem Punkt unseres Lebens gerade stehen. Wir wollten ein Album mit unserer eigenen Musik aufnehmen, das verschiedene Balkan- und Nicht-Balkan-Stilrichtungen enthält, von Rumänien bis Bosnien, von Sevdah bis Doina. Die Jahre, die wir in Norwegen verbracht haben, und der Kontakt mit norwegischer Musik sowie die Zusammenarbeit mit zahlreichen norwegischen Musikschaffenden haben unseren musikalischen Stil und unsere gesamte musikalische Entwicklung maßgeblich beeinflusst. Dieses vielfältige Umfeld hat es uns ermöglicht, verschiedene Elemente in unsere Arbeit einfließen zu lassen und unsere kreative Reise zu bereichern.
Was war eurer Meinung nach der größte „Schub“, den eure musikalische Karriere als tourende Musiker erfahren hat? War es das Touren als Duo als solches oder eher die generelle Entscheidung, Berufsmusiker zu werden? Ist Family Beyound Blood eher ein balkanisches oder ein skandinavisches Album?
Almir und Daniel: Den größten Schub, was das Touren betrifft, haben uns definitiv unser WOMEX-Auftritte 2020 und 2024 gegeben sowie die Teilnahme am Balkan-Musikexportprogramm MOST und am norwegischen EX.TRA-Exportprogramm. Family Beyond Blood spiegelt uns selbst wider und unseren künstlerischen Interessen. Ein Drittel unseres Lebens haben wir jetzt in Norwegen beziehungsweise Skandinavien verbracht, das ist zweifellos ein Teil von uns und beeinflusst unseren ästhetischen Ausdruck.
Was war euer bisheriges Festivalhighlight? Und was macht euch mehr Spaß: traditionelle Kompositionen zu spielen beziehungsweise ihnen ein neues Klangbild zu geben oder eigene Sachen zu schreiben? Basieren Letztere dann auf Folk oder nicht?
Almir and Daniel: Zu unseren Favoriten, was Festivals betrifft, gehören das BALKAN:MOST Festival im ungarischen Veszprém und Budapest RITMO – nicht nur wegen unserer Auftritte dort, sondern auch wegen der tollen Erfahrungen, die wir gemacht haben. Die Organisation war bei beiden hervorragend, und wir waren jeweils von so vielen tollen Menschen umgeben. Hinsichtlich unseres Repertoires ist es ein ständiger Spagat zwischen dem Entdecken neuer Klänge und der innovativen Präsentation traditioneller Musik. Es ist uns auch wichtig, eigene Sachen zu komponieren, wobei wir die traditionellen Klänge dabei immer im Hinterkopf haben, denn sie sind ein wichtiger Teil unseres musikalischen Werdegangs. Dieses Verschmelzen von Altem und Neuem ist essenzieller Bestandteil unseres künstlerischen Weges.
Warum habt ihr euch für Geige und Akkordeon als „Lebens- und Arbeitspartner“ entschieden?
Daniel: Es ist eher so, dass die Geige mich ausgewählt hat. Ich gehöre zur fünften Generation von Geigern in meiner Familie. Eines Tages bin ich aufgewacht, und da stand sie einfach vor mir. Die Geige rief schon in jungen Jahren nach mir, und ich bin ihr gefolgt. Seit 34 Jahren sind wir sind jetzt gute Freunde.
Almir: Mein Vater schenkte mir mein erstes kleines Akkordeon, das in meinem Fall auch mein erstes Spielzeug war, denn zu dieser Zeit herrschte in Bosnien-Herzegowina Krieg. Ich kann mich noch lebhaft an den leuchtend roten Farbton des Instruments erinnern, der im Kerzenlicht schimmerte. Die Farbe zog mich in ihren Bann und wurde zur Essenz dessen, was mich zu dem Instrument hinzog. Von diesem Tag an verbrachte ich unzählige Stunden mit dem Akkordeon, erforschte die melodischen Möglichkeiten und entdeckte seine verborgenen Tiefen.
Was sind eure Pläne für die nächsten Jahre als Duo? Betrachtet ihr das Ganze selbst als ein erfolgreiches Projekt?
Almir und Daniel: Wir haben vor, unsere Musik so weit wie möglich zu verbreiten, überall auf der Welt. Es macht so viel Freude zu sehen, wie die Leute bei unseren Auftritten reagieren – Lächeln und Tränen –, einfach die Emotionen zu spüren, die wir mit unseren beiden Instrumenten hervorzurufen vermögen. Erfolg ist in dem Zusammenhang ein schwieriger Begriff. Wir würden das definitiv bejahen, denn wir schaffen es immer, unserem Publikum ein besonderes Erlebnis zu verschaffen – ich glaube nicht, dass irgendjemand nach unseren Auftritten den Saal verlässt, ohne auf die eine oder andere Weise berührt zu sein. Wenn man Erfolg aber an der Zahl der Menschen misst, die uns hören oder kennen, am Aufkommen von Airplay oder Fernsehauftritten, ist auf jeden Fall noch Luft nach oben.
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