Der Musiker Xabi Aburruzaga ist ein „Trikitilari“. Er spielt die Trikitixa, das legendäre diatonische Akkordeon aus dem Baskenland – einer Region, die sich vom Norden Spaniens bis in den Südwesten Frankreichs erstreckt und für eine einzigartige kulturelle Identität steht. Sie ist für ihr lebendiges kulturelles Erbe bekannt und hat sogar eine eigene Sprache, die als eine der ältesten in Europa gilt: Euskera. Ihr Ursprung ist rätselhaft, denn bis heute konnte keine Verwandschaft mit einer anderen Sprache nachgewiesen werden. Eureska gilt deshalb als sogenannte „isolierte“ Sprache. Dass sie bis heute gesprochen wird, ist bezeichnend für die kulturelle Widerstandsfähigkeit der Baskinnen und Basken.
Text & Interview: Araceli Tzigane; Übersetzung aus dem Englischen: Daniela Höfele; Fotos Asier Bastida
In musikalischer Hinsicht gibt es im Baskenland mehrere bedeutsame traditionelle Instrumente. Zu nennen sind hier unter anderem die Alboka, ein Blasinstrument mit Doppelrohrblatt, und die Txalaparta, ein Percussion-Instrument, das aus mehreren auf zwei Querträgern liegenden Schlagbalken besteht und von zwei Personen gleichzeitig gespielt wird. Weiterhin gibt es die Txistu, eine kleine Flöte mit drei Löchern, die Danbolina (Trommel), das Pandero (Tamburin)… und natürlich die Trikitixa. Mit diesem Instrument ist der Künstler Xabi Aburruzaga schon fast sein ganzes Leben lang verbunden. Bereits im Alter von zehn Jahren nahm er 1988 an einer Trikitixa-Meisterschaft („Txapelketa“) teil, bei der er auf einige der wichtigsten Trikitixa-Spielerinnen und -Spieler traf – mit dabei waren unter anderem Joseba Tapia und Kepa Junkera, die hinsichtlich der Verbreitung des Instruments über die Grenzen des Baskenlandes hinaus als wichtige Wegbereiter gelten.
Sein Können erwarb Xabi Aburruzaga einerseits durch ein Musikstudium an einer baskischen Hochschule, andererseits jedoch auch durch den direkten Kontakt mit den lebendigen Traditionen. Im Jahr 2005 veröffentlichte er sein erstes Album Bizkaiko Trikitxa, das sich, wie der Titel schon verrät, der Trikitixa aus der Biskaya widmet. Unter dem gleichen Namen hatte er im Vorfeld bereits ein Partiturenbuch veröffentlicht. Es folgten vier Studio- und ein Live-Album, Xabis siebtes Album ist derzeit in Vorbereitung. Im Gespräch mit akkordeon.online gibt er Einblicke in die Arbeit mit seinem geliebten Instrument.
Die Trikitixa ist ein Instrument, das als typisch für dein Land, das Baskenland, gilt. Dennoch hättest du dich ja auch jedem anderen Instrument widmen können: Warum ist es die Trikitixa geworden?
Die Trikitixa ist ein sehr attraktives Instrument. Sie ist klein, leicht zu transportieren, und passt sich der traditionellen Musik sehr gut an. Mit sieben Jahren habe ich zunächst mit dem Akkordeon begonnen, und als ich zwölf war, verliebte ich mich in den Klang der Trikitixa. Das Instrument ist tief in der baskischen Kultur verwurzelt, übernommen haben wir es aber von italienischen Arbeitern, die die Eisenbahn gebaut haben.
Interessant – trotz der engen Verbundenheit mit dem Baskenland hat die Trikitixa dort also noch gar keine so lange Geschichte. Weißt du, wann und warum sie so populär wurde, dass sie sich zu einem so bedeutsamen Instrument der baskischen Kultur entwickelt hat?
Die Trikitixa wurde zum Ende des 19. Jahrhunderts populär. Sie ist ein fröhliches Instrument, das sich sehr gut an das baskische Repertoire anpasst. Da es zweichörig ist, lassen sich darauf mit nur wenigen Knöpfen viele Töne erzeugen.
Inwiefern unterscheidet sich die Trikitixa von anderen diatonischen Akkordeons?
Wie gerade bereits angedeutet, ist die Trikitixa in der rechten Hand zweichörig und in der linken einchörig. Hingegen ist beispielsweise das italienische Organetto in beiden Händen zweichörig. Jedes diatonische Akkordeon stellt eine ganz eigene Welt dar, das finde ich faszinierend.
Wie sieht es in der Instrumentenbauerszene hinsichtlich der Trikitixa aus bzw. wie einfach ist es, gute Instrumente oder Werkstätten für eine Reparatur zu finden?
Ich würde sagen, die besten Hersteller von Trikitixas findet man heutzutage in Italien. Aber auch im Baskenland gibt es einige Hersteller, die mittlerweile sehr gute Instrumente bauen, beispielsweise Baraiazarra in Gernika und Tirikitrauki in Lasarte. Wir haben großes Glück, diese beiden bei uns zu haben, zum Beispiel auch um unsere Instrumente stimmen zu lassen.
Gibt es aktuell Gelegenheiten, bei denen die Trikitixa fernab der Bühne gespielt wird, beispielsweise Volksfeste? Und wenn ja, kann sich daran jeder beteiligen?
Die Trikitixa ist tief verwurzelt in Volksfesten, die es insbesondere zu religiösen Anlässen gibt. Man kann sich ohne Probleme daran beteiligen: Es ist dort ganz normal, dass Trikitilari-Duos, bestehend aus einem diatonischem Akkordeon und einem Tamburin, einfach auf der Straße spielen. In Aristerrazu in Gipuzkoa findet bis heute jeden Sonntag ein solches Fest statt: Die Leute gehen dorthin, um zu tanzen oder um die Atmosphäre zu genießen, die die Trikitixa vermittelt. Das ist dann fast wie in früheren Zeiten.
Kommen wir zurück zu dir als Künstler. Welche Trikitixas spielst du und hast du ein Hauptinstrument oder wechselst du je nach Bedarf?
Ich habe viele Trikitixas, um die 33. Normalerweise nutze ich davon regelmäßig fünf bis sechs, die in verschiedenen Tonarten gestimmt sind. Je nach Musikstück.
Du bist zudem auch als Komponist tätig, sowohl für deine eigenen Alben als auch für Auftragswerke. Was ist das Besondere am Komponieren für die Trikitixa und was gibt es dabei zu beachten?
Wenn ich Musik für die Trikitixa komponiere, versuche ich, das Stück zu etwas mit einer Seele zu machen, es an das Instrument anzupassen und gegebenfalls das zu vermitteln, was es vermitteln soll. Ich versuche, das Bestmögliche aus dem Instrument herauszuholen.
Wenn du dir im Hinblick auf die Trikitixa etwas wünschen dürftest, was wäre das? Es kann alles sein: Von einer Zusammenarbeit, die du gerne machen würdest, bis hin zu etwas Allgemeinem, wie der erste Trikilari zu sein, der auf dem Gipfel des Mount Everest spielt…
Mein Wunsch für die Trikitixa ist, dass sie sich weiterhin guter Gesundheit erfreuen soll, und für ihre Klänge, dass sie sich immer weiterentwickeln und gleichzeitig die Traditionen erhalten – denn ich denke, das ist beides miteinander vereinbar. Die Idee mit dem Mount Everest fände ich dann doch etwas kompliziert…
Du hast in der Tat genügend andere Herausforderungen: Dein letztes Album Aurrez Aurre wurde komplett live aufgenommen, du hast dabei also alles auf eine Karte gesetzt, und es ist gut geworden! Aktuell bereitest du nun dein siebtes Album vor. Was kannst du uns schon darüber erzählen?
Ich bin aktuell in der Kompositionsphase und stelle gerade die letzten drei oder vier Songs fertig. Anschließend werde ich eine endgültige Auswahl treffen und dann gemeinsam mit meiner Band daran weiterarbeiten. Das wird erfahrungsgemäß eine sehr anspruchsvolle und anstrengende Phase. Alle Songs sind Neukompositionen. Sie behandeln unterschiedliche Themen, die mich beschäftigen: die Liebe zu meiner Familie, die immer noch tobenden Kriege, Fantasielandschaften, der Gebrauch der baskischen Sprache im Baskenland…
Ich freue mich darauf, die Stücke zu hören! Möchtest du unseren akkordeonbegeisterten Leserinnen und Lesern abschließend noch etwas mitteilen?
Erst einmal vielen Dank für das Gespräch! Wer sich anhören möchte, was ich bisher so gemacht habe, findet meine Musik auf Spotify oder Youtube. Lasst die Musik und die Bälge weiterlaufen! Ich hoffe, wir sehen uns mal bei einem Konzert. Eine große Umarmung an alle Leserinnen und Leser!
Vielen Dank für das Interview!
Zur offiziellen Website von Xabi Aburruzaga geht es unter https://aburruzaga.eus/.
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