Maxim's Group
Tradition und Veränderung
Maximiliano Ciucciomei führt eines der relativ jungen Unternehmen in der italienischen Akkordeonstadt Castelfidardo. Seit 15 Jahren werden dort „alte Schätze“ wie die berühmten Akkordeons von Settimio Soprani und Sonola mit ihren Besonderheiten wiederbelebt, und neue Modelle und Fertigungsweisen entwickelt. Im Interview spricht Ciucciomei über die Suche nach dem besten Sound, Wettbewerb und Kooperation, manchmal ungewöhnliche Fertigungsprozesse – und ein neues Signature Model für den vielfach ausgezeichneten, italienischen Musiker Pietro Adragna.
Maximiliano Ciucciomei sitzt für unser Interview in Castelfidardo in seinem Büro vor dem Computer. Momentan werden im Unternehmen Akkordeons gefertigt, alle können arbeiten. Aber so wie jeder Hersteller am Ort haben Ciucciomei und seine Belegschaft immer einen Blick auf die Covid-Neuigkeiten in der Umgebung.
Wie hat sich Ihr Unternehmen Maxim’s Group entwickelt?
Hier in Castelfidardo hat jeder jemanden in der Familie, den Vater oder Großvater, der Akkordeons gebaut hat. Bei mir mir war es genauso, mein Großvater hat Akkordeons gebaut, mein Vater hat das gemacht, und ich führe diese Tradition fort. Vor 15 Jahren habe ich noch bei einem Unternehmen gearbeitet, das nicht mein eigenes war. Ich hatte vor, etwas Eigenes zu versuchen, mit einigen Marken, die in der Akkordeonwelt eine besondere Geschichte haben. Es gab viele Veränderungen in der Vergangenheit, und diese Firmen haben alle zugemacht, wie Settimio Soprani, Crucianelli, Frontanelli und Sonola. Meine Idee war, diese Marken wieder herzustellen und damit in den Markt zurückzukehren.
„Ich hatte vor, etwas Eigenes zu versuchen, mit einigen Marken, die in der Akkordeonwelt eine besondere Geschichte haben.“
Es gab und gibt so viele Akkordeonmarken und Modelle, warum haben Sie diese vier ausgewählt?
Ich wählte die aus, deren Geschichte ich gut kannte. Ich kenne die Arbeit, die Settimio Soprani gemacht hat, er war der Bruder vom ersten Hersteller Soprani. Crucianelli habe ich ausgewählt, weil sie ebenfalls eine bekannte Historie haben in der Szene. Diese vier Marken, sie haben wirklich Geschichte gemacht in der Welt des Akkordeons. Sie haben früher sehr viele Akkordeons weltweit exportiert, vor etwa 20 bis 25 Jahren haben sie geschlossen. Ich versuchte also ein Comeback für diese Marken.
Sie wollten, dass diese Akkordeonmodelle weiter bestehen.
Settimio Soprani hat früher mehr als 20.000 Modelle im Jahr hergestellt. Crucianelli war vor allem in Frankreich sehr berühmt. Sonola war das Unternehmen, das damals das erste Jazzakkordeon hergestellt hat. Jede dieser Firmen war für mich etwas Besonderes, und ich wusste, wenn ich diese Marken wieder herstelle, muss ich niemandem daran erinnern, welche Akkordeons das sind, jeder erkennt sie sofort.
Was Sie anfertigen, sind das dieselben Modelle wie damals, oder werden sie jetzt ein wenig anders hergestellt?
Bevor ich mit der Produktion anfing, sammelte ich die alten, berühmten Akkordeons. Als die Fertigung losging, fing ich zuerst nur mit Modellen an, die den alten entsprachen. Der Markt fordert auch Musikinstrumente in neuem Design. Also fertige ich jetzt einerseits ältere Modelle, und andererseits neue, die den Wünschen verschiedener Musiker entsprechen.
Werden die alten Modelle nun ganz genauso wie früher gefertigt?
Die Ästhetik und das Design sind genau gleich. Einige Teile sind allerdings anders. Vor 50 Jahren wurden Akkordeons auf eine bestimmte Art angefertigt, und es gab besseres Holz. Wir versuchen das heute genauso zu bauen, und erreichen das zu etwa 90 Prozent. Die Akkordeons zu 100 Prozent gleich zu bauen, das ist unmöglich.
Gibt es Leute in Ihrem Unternehmen, die früher bei den betreffenden Herstellern gearbeitet haben?
Es sind einige Mitarbeiter dabei, von denen der Vater oder Großvater bei einem dieser Hersteller gearbeitet hat. Diese Arbeit können nur Menschen machen, die die Tradition dieser Akkordeons kennen. Da stelle ich ein altes Modell auf den Tisch und sage: „Ich möchte genau diese Akkordeons bauen, so wie damals.“ und sie wissen, was zu tun ist.
Würden Sie uns etwas über Ihre neuen Akkordeons berichten, die Sie entwickelt haben?
Vor allem die jungen Akkordeonistinnen und Akkordeonisten suchen oft nach Modellen in einem anderen Design, nicht in einem alten Stil. Sie fragen mich: „Kannst du nicht Settimio Soprani Akkordeons in einem modernen Stil bauen, nicht nur im Vintage Design?“
„Vor allem die jungen Akkordeonistinnen und Akkordeonisten suchen oft nach Modellen in einem anderen Design, nicht in einem alten Stil.“
Was sind die neuesten Entwicklungen?
Ich möchte beispielsweise etwas machen mit neuen Farben und Lackierungen. Da kann man alles machen, in einem Metalldesign, oder mit einer gelben Lackierung. Das sind Dinge, die früher so nicht möglich waren. Wir arbeiten viel für Mexikaner, die in den USA leben. Für sie ist das Akkordeon das wichtigste Musikinstrument. Sie haben etwas Positives, denn sie lächeln immer beim Spielen und machen Witze. Das ist nicht wie am Konservatorium. Das ist natürlich wichtig, aber da spielen sie klassische Musik. Nach einem Konzert von einer Stunde muss man was einnehmen, weil man sonst einschläft (lacht).
Es gibt diesen ausgezeichneten, jungen Akkordeonisten Pietro Adragna. Er spielt anspruchsvolle Musik, das allerdings ebenfalls immer sehr heiter.
Er ist so, selbst wenn er am Konservatorium unterrichtet, dass er weiß, wenn er ein Konzert spielt, muss er lächeln. Nur so kann er beim Musizieren was rüberbringen. Wenn er etwa in Portugal auftritt, weiß er, er muss Musik spielen, die Menschen dort gern hören. Er ist ein Profi.
Er hat eine Jazz Sonola aus Ihrer Fertigung gespielt, jedenfalls probegespielt.
Er hat früher andere Akkordeons gespielt, etwa von Hohner, Mengaschini, und anderen. Vor drei Jahren hat er eine Kooperation mit mir begonnen, weil er mein Design mag, und andere Aspekte des Unternehmens. Meine Firma hat sich in den letzten Jahren weiterentwickelt, wir haben einige Patente angemeldet. Wir arbeiten jetzt auf die Zukunft hin. In einem Monat präsentieren wir ein neues Akkordeonmodell, das nach ihm benannt ist, Pietro Adragna.
Er bekommt ein Signature Modell mit seinem Namen? Das wird ihm gefallen.
Wir haben zusammen entschieden, ein Akkordeon zu bauen, das anders ist, als man es normalerweise erwarten würde. Beispielsweise soll es 39 Tasten haben, statt sonst 41. Wir verwenden eine andere Sorte Holz, das Design ist anders, und sein Name ist darauf. Das Modell soll außerdem etwas leichter sein als sonst, denn die Akkordeons sind meist zu schwer. Wir sind noch am probieren. Natürlich ist Pietro Adragna bekannt, und wir wollen schließlich Akkordeons verkaufen.
Sicher ist er ebenfalls froh über diese Zusammenarbeit. Gibt es schon Bilder von dem neuen Modell?
Ab Anfang März gibt es das neue Modell. Es ist fast fertig. Derzeit wird es noch lackiert, so wie Pietro das möchte. Wenn es von der Firma kommt, wo die Lackierungen gemacht werden, dann werden die Tasten ergänzt, und die Mechanik. In etwa 20 Tagen (Anm. d. Red: etwa Mitte Februar) ist alles fertig und es wird erste Fotos geben.
Auf der Basis von welchem Akkordeon ist es entwickelt worden, einer Sonola?
Auf der Basis einer Settimio Soprani. Das ist eine der besten und berühmtesten Marken weltweit. Jeder kennt sie. Wenn wir über die Sonola reden, kennen das sicher Menschen in den USA, in Spanien oder auf dem Balkan. Nur wenn man eine solche Marke beispielsweise in Korea verkaufen möchte, wissen die Leute dort nicht so genau, was das ist. Settimio Soprani kennt jeder von Afrika bis Alaska.
Wie ist das mit Crucianelli und Frontalini?
Ich habe aus Brasilien Nachfragen erhalten nach Frontalini Akkordeons, aus Schottland und Frankreich bekam ich Anfragen nach Crucianelli Modellen. Also fingen wir an, einige Modelle zu bauen. Jetzt konzentrieren wir uns mehr auf Sonola und Settimio Soprani.
An dem Jazzmodell der Sonola gibt es eine Besonderheit, eine spezielle Art von Cassotto.
Genau, das ist ein interessanter Aspekt. Als ich sehr jung war, besuchte ich in Chicago ein Konzert. Ich höre immer sofort, wenn an einem Akkordeon etwas anders ist. Während des Konzerts spielte ein Musiker die alte Sonola SS20, die damals so berühmt war. Als der Auftritt zu Ende war, fragte ich ihn, ob er das Akkordeon für mich aufmachen würde. Ich erklärte: „Ich bin aus Castelfidardo, und ich stellte Akkordeons her. Ich habe zwar kein eigenes Unternehmen, aber ich liebe diese Musikinstrumente. Können Sie Ihres aufmachen, damit ich mir genauer anschauen kann, wie dieser außergewöhnliche Sound entsteht?“ Als der Musiker sein Akkordeon aufmachte, sah ich gleich, dass das Geheimnis das Cassotto war. Es gab nicht nur ein Cassotto, also eine Tonkammer, sondern ein zweites Cassotto hinter dem Manual. So ging der Sound in das Cassotto, und dann weiter in die zweite Tonkammer. Wenn man spielte, konnte man die Vibration des Akkordeons bis ins Herz spüren.
„Wenn man spielte, konnte man die Vibration des Akkordeons bis ins Herz spüren.“ (Maximiliano Ciucciomei über seine erste Begegnung mit einer Original Sonola SS20)
So ergänzt ihr euch, wenn jeder mal im Vordergrund steht, das ergibt Sinn. Christian, du hast deinerseits abgesehen von mehreren Ensembles ein Tango-Solorepertoire eingespielt. Siehst du es ähnlich, dass sich solche Solo-Erfahrungen ins Duo einbringen lassen?
Das ist ungewöhnlich. Gibt es bei den Settimio Soprani Akkordeons eine ähnliche Besonderheit, die nur diese Modelle haben?
Besonders berühmt war das Modell Artist VI, so ähnlich wie Scandalli Super VI. Wie sie angefertigt sind, das Holz verarbeitet ist, der Winkel des Manuals, es gibt einige Besonderheiten beim Artist VI. Dieses Akkordeons haben ein außergewöhnliches Spielgefühl. Ich habe eines der Originale. Als wir mit der Fertigung anfangen wollten, war mir klar, wir können nicht beginnen, ohne ein Original. Es war sehr schwer zu finden, das dauerte drei Jahre. Wir warteten so lange, obwohl ich den Namen schon für mich registriert hatte. Die Sonola SS20 fand ich schließlich in Kanada, die Settimio Soprani Artist VI in Australien. Als ich diese Modelle bekam, sah ich, was die Besonderheiten waren. Das Holz, das sie früher verwendeten, die Stimmstöcke, die sie machten, verleihen den Akkordeons einen ganz anderen Sound.
Sie haben außerdem einige Patente angemeldet in den letzen Jahren. Es gibt eines zu einer speziellen Aufbereitung von Stimmzungen. Was hat es damit auf sich?
Jeder, der in der Akkordeonfertigung arbeitet, oder spielt, wird bestätigen, dass die alten Akkordeons einen besonderen Sound haben. Wenn man ein Modell von 1954 vergleicht mit einem von heute, ist das alte um 20 Prozent besser im Klang. Als wir anfingen, die neuen Artist VI Modelle zu fertigen, fragten wir uns: „Wie bekommen wir diesen Sound hin?“ Wir haben dieses Holz nicht, das sie damals hatten. Wenn wir früher Holz kauften, das 25 oder 30 Jahre alt war, dann war es so alt. Jetzt kaufen wir Holz, und selbst wenn es heißt, das ist alt, glaube ich es nicht. Nun versuchten wir also, etwas mit den Stimmzungen zu machen. Wir fanden eine Lösung durch einen Tip von einem Unternehmen, das in einem anderen Bereich arbeitet. Sie sagten: „Versuch, das Metall der Stimmzungen auf 100 Grad zu erhitzen, der Sound wird zehn Mal besser.“ Wir kauften also Stimmzungen, legten sie in eine spezielle Maschine und ließen sie vier, fünf Stunden dort bei 100 Grad. Nachher nahmen wir sie raus und bauten sie nachher ins Akkordeon ein. Ich sendete einem Kunden zehn Akkordeons, die er bestellt hatte, und sagte ihm zuerst einmal nichts darüber, dass bei einem etwas anders gearbeitet worden war. Nach einem Monat fragte ich ihn: „Ist bei Akkordeon fünf etwas anders, bemerkst oder hörst du da einen Unterschied?“ Er sagte: „Nein, das ist ein gutes Akkordeon, ansonsten ist es wie die anderen, da höre ich keinen Unterschied.“ Ich dachte mir im ersten Moment, dieser Mitarbeiter von der Firma hat mir da womöglich Unsinn erzählt. Nach einem Jahr rief mich dieser Kunde wieder an, und er sagte: „Bei diesem Akkordeon fünf ist der Sound jetzt um 30 Prozent besser als bei den übrigen.“ Da ließ ich mir ein Patent anmelden. Mir wurde klar, eventuell nicht sofort, aber nach einem Jahr ist der Sound etwa zu 90 Prozent so wie bei den alten Modellen.
Durch das Patent ist diese Fertigung also nur für Ihr Unternehmen möglich.
Eine Firma, die Stimmzungen herstellt, hat wegen einer Kooperation angefragt. Diese spezielle Fertigungsweise möchte ich für uns haben. Wenn ich das alles genau so fertigen lasse von einem Stimmzungenhersteller, können sie die Stimmzungen nachher schließlich auch an andere Firmen verkaufen.
In Castelfidardo gibt es so viele Akkordeonhersteller, gibt es manchmal Austausch und Kooperation, oder gar nicht?
Die Zahl der Akkordeons, die bei uns zur Fertigung bestellt werden, ist höher als die Zahl, die wir fertigen können. Ich selbst bin immer für Kooperation zwischen den Unternehmen in Castelfidardo, das ist besser, als sich zu bekämpfen. Ich fand zwei, drei Firmen, die mir einige Male schon bei der Produktion halfen. Denn wenn ich auf einmal bis morgen 150 Akkordeons anfertigen soll, können wir nicht so schnell so viele herstellen. Mit zwölf Leuten kann man nicht 100 Akkordeons in einem Monat herstellen.
„Ich selbst bin immer für Kooperation zwischen den Unternehmen in Castelfidardo, das ist besser, als sich zu bekämpfen.“
Mit wem arbeiten Sie zusammen?
Früher mit Bugari, aber diese Zusammenarbeit endete. Jetzt arbeite ich mit zwei, drei kleineren Herstellern, Fismen war schon dabei, und andere. Mit großen Firmen kann ich nicht zusammenarbeiten, das sind Wettbewerber. Mit kleineren Zwei- oder Drei-Mann-Unternehmen kann ich zusammenarbeiten, sie helfen mir, und wenn ich Ihnen helfen kann, mache ich das. Hier ist es nicht immer so einfach, weil alle relativ schnell eifersüchtig sind. Aber wir versuchen es.
In welche Länder verkaufen Sie?
Nach China, in die USA, nach Portugal, und an eine Menge weitere, wie Island oder Schottland. In den letzten zwei Monaten fanden wir zwei große Abnehmer in der Schweiz und einen in Frankreich, trotz Covid. Inzwischen kennen viele Leute meine Arbeit, und es kommen Anfragen wegen Kooperationen. Die Leute haben von den Akkordeons gehört, wollen welche probespielen, und dann sehen wir weiter.
Senden Sie diese an die Interessenten zum Probespielen?
Wenn ich ein Akkordeon verkaufe für 7000 Euro, sind 5000 Euro Produktionskosten. Wenn ich an 20 Kunden zum Ausprobieren Akkordeons sende, muss ich in drei Monaten mein Unternehmen zumachen. Es gibt Demovideos bei Facebook, und wir haben an verschiedenen Orten Akkordeons. Wenn jemand etwa in der Schweiz lebt, gebe ich ihm den betreffenden Kontakt, wo er hinfahren kann, da kann er ein Modell probespielen.
Es geht also über Musikläden?
Manchmal geht es über Musiker. Auf dem Balkan beispielsweise, in Serbien, Bosnien und Kroatien, ist unsere Marke die beliebteste Akkordeonmarke. Die Leute sind begeistert von unseren Modellen. Wir arbeiten seit vielen Jahren dort und haben genau die Stimmung herausgefunden, die diese Musiker wollen. Jetzt muss ich da niemandem mehr etwas über Sonola oder Settimio Soprani sagen.
Es gibt ausgezeichnete Musiker dort, und eine sehr etablierte Akkordeontradition. Gibt es Künstler, die Sie nennen möchten?
Aleksandar Nicolic, und viele andere. Es sind Menschen aus dieser Region in aller Welt. Wenn jemand also eines meiner Akkordeons probespielen möchte, gibt es überall jemanden, der eines hat. Musiker sind dafür perfekt, denn wenn sie von unseren Akkordeons begeistert sind, dann können sie alle guten Aspekte daran zeigen.
Spielen Sie selbst?
Ich habe früher Klavier gespielt, Akkordeon nicht. Aber ich bin begeistert von Akkordeons, seit ich fünf Jahre alt war, ich liebe den Sound.
Gab es Zeiten, in denen Ihr Unternehmen wegen Covid schließen musste?
Derzeit ist das Problem, dass, sobald es eine Infektion in einem Unternehmen gibt, es eine Woche schließen muss. Letztes Jahr hatten wir glücklicherweise keine Erkrankungen bei uns. Nur sobald einige der Firmen, die unsere Stimmzungen herstellen oder die Akkordeonbälge, einen Fall in der Firma hatten, mussten sie zumachen. Das führte bei anderen Herstellern und bei uns zu Problemen. Da passiert es, dass wir Akkordeons liefern müssten, und eine zuliefernde Firma sagt: „Es tut uns leid, wir müssen sieben Tage schließen.“ Dann stehen da 250 Akkordeons, die zu 70 Prozent fertig sind und nicht fertiggestellt werden können. Das stellt ein kleines Unternehmen – und hier in Castelfidardo sind 80 Prozent der Firmen klein – vor Schwierigkeiten.
Das kam vor?
Das kam vor.
Jetzt ist alles offen?
Im Moment haben alle auf. Nur gibt es jeden Tag Neuigkeiten. Heute hörte ich von einem Unternehmen, das Knopfakkordeons herstellt, dass es einen Krankheitsfall gibt. Sie müssen sieben Tage schließen.
Im Jahr 2020 war die Produktion großenteils geöffnet?
Im März und April war die gesamte Herstellung wegen Covid geschlossen. Dann konnten wir weitermachen. Im August und September mussten wir wegen all der Covidfälle noch mal drei Wochen schließen. Das ganze Jahr war ein schlechtes Jahr fürs Geschäft! Wir hoffen auf 2021.
Das hoffen viele, dass 2021 ein besseres Jahr wird.
Für mich war 2020 keine gute Situation. Erst 2019 kaufte ich ein neues Gebäude und zog mit dem Unternehmen um. Es war Oktober, es gab neue Käufer, mehr Bestellungen, das Geschäft lief gut – und drei Monate danach kam Covid. Wenn ich das gewusst hätte, hätte ich mit der Investition gewartet.
Gibt es staatliche Unterstützung?
In Italien gibt es ein wenig Unterstützung, aber es ist nicht annähernd das, was eine solche Firma an Verlusten macht in dieser Zeit. Normalerweise ist der Umsatz bei 100.000 Euro im Monat.
Das sind enorme Verluste. Kann das Unternehmen alle Mitarbeiter weiter beschäftigen?
Ja, ich versuche alle hier zu halten. Ich hoffe, dass 2021 was passiert. Gestern hatten wir eine Besprechung und ich sagte meinen Mitarbeitern: „Ich hoffe, in den nächsten Monaten tut sich was bei unseren größeren Kunden und sie halten mich nicht alle mit Zahlungen hin.“ Sonst muss ich Löhne einfrieren.
Wie geht es anderen Firmen?
Es ist bei allen dasselbe, es gab überall dieselben Besprechungen mit den Mitarbeitern. Nur Bugari hat eine etwas bessere Situation. Sie haben allerdings ihre Firma an chinesische Investoren verkauft. Parrot hat sie gekauft.
Das macht die Situation besser?
Sie verkaufen zu 80 Prozent an den chinesischen Markt. Ich arbeite auch für China, allerdings nicht in dieser Größenordnung.
Würden Sie selbst jemals Teile Ihres Unternehmens verkaufen?
Wir brauchen Investoren, die in dieses Geschäft Geld stecken, weil wir zu wenig staatliche Unterstützung haben. Wenn chinesische Unternehmer eine Kooperation suchen, wäre das interessant für mich. Nur wenn sie das Unternehmen kaufen wollen, wäre das nichts für mich. Wir wissen, dass sie Bugari jetzt sicher in gutem Zustand haben, sie machen dort ausgezeichnete Akkordeons, und es arbeiten die gleichen Leute dort wie vorher. Wir wissen allerdings nicht, was in zwei oder drei Jahren ist.
Erstmals veröffentlicht in:
akkordeon magazin #78
Februar/März 2021
Fotos:
Maxim’s Group
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